Du bist manchmal etwas lost im Methoden-Dschungel? Keine Panik. Wir bieten mit den 8 Tipps für deinen Methodenkoffer Orientierung und sagen dir, warum es sogar gut sein kann, nicht jede neue Methode auch wirklich auszuprobieren.
Es gibt so viele Methoden wie nie
Dem Produktmanager stehen für die digitale Produktentwicklung unzählige Methoden und Prozessmodelle zur Verfügung und es kommen ständig neue hinzu. Von Business Modell Canvas bis Product Field, von Personas bis Story Mapping, von Lean User Research bis Design Thinking – um nur einige zu nennen.
Die Anziehungskraft des Neuen ist ungebrochen. Man fühlt sich förmlich angezogen und angehalten, eine neue Methode auszuprobieren. Und die Heilversprechen der Methodenerfinder bauen außerdem Druck auf. Denn vielleicht ist die neue Methode ja DIE eine, die alle Probleme löst. DIE eine, die Alles einfach einfach macht.
Einfach das neue Canvas ausfüllen und *schwupps* ist das erfolgreiche Produkt Online.
Wir alle wissen: so einfach ist es nicht.
Trotz der vielen Methoden ist das Erschaffen digitaler Produkte kein Selbstläufer geworden. Es bleibt Arbeit. Denn die Hauptaufgabe ist doch: „Finde ein Produkt, das es Wert ist umgesetzt zu werden, spezifiziere es, setze es um und halte den Erfolg nach.“ Dafür sind viele Arbeitsschritte nötig, die einem keine der Methoden abnimmt. „Eine Schwalbe macht also noch keinen Sommer“ könnte man sagen.
Die Methoden und Prozesse helfen gar nicht?
Doch natürlich. Sie helfen uns. Sie sind Stützen und Leitplanken in der Produktentwicklung.
Ich wage aber die These, dass die Fülle an verwendbaren Methoden uns von dieser eigentlichen Aufgabe ablenken. Und ich wage außerdem zu sagen, dass der ständige Methodenwechsel dem einzelnen PO etwas Wichtiges raubt: Die Möglichkeit, echte Learnings zu generieren und besser zu werden.
Denn erst wer eine Methode über einen längeren Zeitraum, in unterschiedlichen Umfeldern und bei unterschiedlichen Produktideen einsetzt, lernt ihre wirklichen Stärken und Schwächen kennen. Und nur mit der Zeit kann man wichtige Erkenntnisse bzw. ein echtes Verständnis generieren. Nicht umsonst sagt der Volksmund: „Übung macht den Meister.“
Auch wenn es vielleicht nicht gleich die von Malcom Gladwell in seinem Buch „Überflieger: Warum manche Menschen erfolgreich sind – und andere nicht“ beschriebenen 10.000 Stunden sein müssen, so ist es doch sicher sinnvoll, eine Methode mehr als einmal anzuwenden.
Wer sich z.B. für Storymapping entscheidet, kann dies in einer Discovery-Phase erst einmal zur Strukturierung der Anforderungen einsetzen. Für das nächste Produkt kann man damit dann auch seine Roadmap-Planung machen oder die Storymap für Statusreports einsetzen. Erst nach und nach versteht man, was eine Methode kann und ob sie einem selbst auch liegt und ob sie nachhaltig hilft.
Allein aus diesem Grund sollte man also nicht jede neue Arbeitsweise direkt ausprobieren. Es gilt in abgewandelter Form, was auch im agilen Manifest steht: „Individuals and interactions over processes and tools“ – also echte Arbeit mit dem Team, mit Usern und Stakeholdern sollten immer Vorfahrt haben vor ständig neuen Methodenexperimenten.
Aus meinem Berateralltag in Produktorganisationen weiß ich, dass das nicht immer ganz einfach ist. Denn die neuesten Methoden sind immer auch irgendwie Statussymbol.
Aber wie hält man dann die Balance? Was für Methoden braucht es wirklich?
Ein Lösungsansatz – 8 Tipps für deinen Methodenkoffer
Damit ihr euch im Methodendschungel nicht verirrt, haben ich diese Liste erstellt. Sie hilft euch festzustellen, ob eurer Methodenkoffer schon ganz gut bestückt ist oder ob noch eine Lücke ist:
Anfangen – wenn man ein neues Produkt baut
1. Wähle eine Methode die dir eine Struktur bzw. Leitplanken gibt. Diese Methode sollte dir helfen, wichtige Schritte in der Produktentwicklung nicht zu vergessen. Beispiele: Produkt Design Sprint, User Experience Design Process, Product Discovery
2. Sobald du deine Leitplanken hast, geht es darum die richtigen Fragen zu stellen. Auch dafür gibt es einige „cheat-sheets“ – Beispiele: Business Model Canvas, Product Field, 10-Question-Business-Assessment
Strukturieren – kill complexity!
3. Ein wichtiger Job des PO ist es, auch komplexe Anforderungen und Vorgänge solange in Scheiben zu schneiden, bis es einfach aussieht. Dafür brauchst du eine Methode. Beispiel: Storymapping, Job-to-be-done.
4. Außerdem solltest du eine Methode wählen, die dir hilft, deine Prioriserung transparent zu machen. Beispiel: Priority Poker, KANO-Analyse, Kosten/Nutzen-Bewertung.
Geschichten erzählen – Bilder im Kopf
Warum das wichtig ist, habe ich an anderer Stelle bereits erzählt. Kurz gesagt: nur wer ein Bild seiner eigenen Produktidee / -Vision auch in den Köpfen anderer entstehen lassen kann, wird am Ende auch ein Produkt in Händen halten.
5. Damit das mit den Bildern im Kopf auch klappt braucht es eine Methode, die es euch erleichtert, über eure Nutzer zu sprechen. Und das so plastisch und bildlich, wie möglich. Beispiele: Personas, Usertests – als Zuschauer: das ganze Team.
6. Außerdem solltet ihr euer Produkt für alle „anfassbar“ machen. Dazu eignen sich: klickbare Prototypen, Designs. Die müsst ihr aber natürlich auch für alle Teammitglieder und Stakeholder zugänglich machen!
Standort bestimmen
7. Wähle eine Methode, die hilft einen Projekt- / Produktentwicklungs-Status festzuhalten, also einen Überblick gibt, was bereits erledigt ist und was in der Entwicklung / Konzeption noch vor euch liegt. Beispiel: Outcome or Output Product Roadmaps, Taskboards, Storymaps.
Inspect & Adapt
8. Inspect & Adapt ist ein agiles Prinzip und sollte auch für von euch gewählte Methoden gelten: Nutzt die Methode, beobachtet was ihr Einsatz verändert / verbessert, setzt sie in verschiedenen Fällen ein und wägt dann ab, ob sie dauerhaft in euren Methodenkoffer darf oder rausfliegt. Und falls eine Methode sich bewährt bleibt ruhig auch erst mal dabei.
Fazit
Eine sauber angewendete Methode macht leider noch kein fertiges Produkt und wer eine Methode wirklich verstehen will, der muss länger dabei bleiben und sie mehr als einmal nutzen.
Also entspannt euch: wenn man mit seinen eigenen Lieblingsmethoden tolle Produkte zustande bringt man darf die meisten Methodentrends auch einfach an sich vorbeiziehen lassen.
Sehr informativ, danke dafuer!
Hi Tobias, freut mich, wenn der Artikel dir gefallen hat! Danke für´s Feedback.
Du sprichst mir aus der Seele. Ich schmunzle teilweise über unsere methodenschwangere Branche. Ich bin gelangweilt von der 347.Mutation von Design Thinking oder dem 999.Prototyping Tool. Der Einlese- und Einlernaufwand steht in keinem Verhältnis zu den marginalen Unterschieden, die diese teils bieten.
Wie du richtig schreibst: Das Tool oder die Methode bestimmen nicht die Güte des Ergebnisses. Sondern: Tools, Methoden und Prozesse unterstützen Menschen bei der Erfüllung von Aufgaben, die auf ein Ziel gerichtet sind.
Ich stimme Dir uneingeschränkt zu, Petra. Das primäre Ziel sollte immer sein, ein Problem zu lösen. Für mich ist es auch eine Frage des Kontexts. In der Branche wird über so viele method hypes geredet, teilweise ohne zu hinterfragen, wann welche Methode angewandt werden sollte und wann nicht. Mittlerweile beobachte ich Leute, die irgendwo ein Buzzword aufschnappen und plötzlich wird es als der heilige Gral verkauft. Dann merkt man leider, dass es am Ende gar nicht mehr um das eigentliche Produkt/Problem geht, sondern nur noch um …tja um was eigentlich? Profilierung?
Freut mich wenn ich damit einen Nerv getroffen habe. Danke für die netten Kommentare!
Vielen Dank für den Beitrag.
Es ist Zeit davon ab zukommen, jedwedes Vorgehen in ein vordefiniertes Methoden-Korsett zu packen, und einen „schönen“ Titel darüber zu schreiben. Ich bin kein Freund blanker Theorie und folge lieber dem Ansatz, pragmatisch mein Vorgehen meinen Herausforderungen anzupassen. Dazu nutze ich gern verschiedene Ansätze, die mir sinnvoll erscheinen und kombiniere die Bestandteile, die mich vorwärts bringen.
Oh, das nennt man dann wohl „agile“ ;-)