Die Macht von Amazons Empfehlungs-Maschinerie – und was wir davon lernen sollten

Amazons Empfehlungs-Maschinerie hat im Lauf der letzten beiden Jahrzehnte den weltweiten E-Commerce verändert. Sie wurde geschaffen, um die digitalen Erfahrungen von Verbrauchern menschlicher zu gestalten und begleitet heute Millionen von Amazon-Nutzer durch die Customer Journey. Was der Einzelhandel von dieser Strategie lernen kann und welche Methoden wertvoll für die eigene Personalisierung sind, erfahrt ihr hier.

Eine meisterhafte Empfehlungsstrategie

Den Löwenanteil von Amazons Personalisierungsmaßnahmen machen Produktempfehlungen aus. In den Verkaufskanälen wimmelt es geradezu von ihnen, egal auf welcher Seite oder an welchem Endgerät, Amazon spielt uns Empfehlungen in zahlreichen verschiedenen Variationen aus. Bei unserer Recherchearbeit haben wir allein auf der Homepage der App 45 verschiedene Empfehlungs-Widgets gezählt – ein Hinweis darauf, dass Amazon der Produktentdeckung einen sehr hohen Stellenwert zuschreibt.

Dabei basiert jedes ausgespielte Empfehlungs-Widget auf einer ganzen Reihe von Faktoren. Zu den Wichtigsten gehören:

  • Standort
  • Letzte Einkäufe
  • Trending nach: in deiner Nähe / bei Amazon / nach Kategorie / nach Shopping-Trend / nach Saison
  • Gespeicherte Elemente oder Listen
  • Angebote, Schnäppchen oder Rabatte
  • Käufe, die andere Kunden nach der Ansicht ähnlicher Produkte getätigt haben
  • Nutzer-Bewertungen
  • Top-Empfehlungen je nach Kundenprofil

Amazon hat sich durch die ständige Anzeige von Empfehlungen zu einer Entdeckungsplattform entwickelt und handelt stets nach dem Motto: never pass up an opportunity to capture a sale. Durch die großen Investitionen in ihre Top-of-Funnel-Marketing-Maßnahmen erzielt der Konzern enorme Einnahmen und entwickelt seine Empfehlungs-Algorithmen stetig weiter.

Über die klassischen Produktempfehlungen hinaus sucht Amazon nach immer neuen Wegen, um seine Widgets mit unkonventionellen E-Commerce-Taktiken auf ein höheres Niveau zu bringen. Zur Empfehlungs-Taktik gehört, dass das Drehen durch die Empfehlungs-Karussells über alle Kanäle hinweg konsistent ist. So wird über jedes Gerät eine angenehme und vertraute Benutzererfahrung kreiert. Obwohl Amazon auch in die Entdeckung von Content investiert, geschieht dies in der Regel in Form von Bannern oder E-Mail-Benachrichtigungen – Widgets sind ausschließlich für Produktempfehlungen reserviert.

Das Web-Erlebnis

Bei einem Sortiment aus Millionen von Produkten, ist Amazon geradezu auf eine Empfehlungsstrategie angewiesen, um seinen Nutzern ein angenehmes Einkaufserlebnis zu ermöglichen und ihnen neue Produkte vorzustellen. Sowohl die Anzahl der Widgets, die auf jeder Seite platziert werden können, als auch die Anzahl der Produkte, die pro Widget angezeigt werden, ist theoretisch unbegrenzt.

Das Mobile-Erlebnis

Den selben Ansatz verfolgt Amazon auch bei der Mobile-Customer Journey und zeigt dem Nutzer so viele Produkt- und Inhaltsvorschläge wie möglich an.

Dafür nutzt Amazon auf beiden Endgeräten sehr lange Homepages mit zahlreichen, unterschiedlichen Empfehlungsformaten. Beispielsweise zielen einige Empfehlungs-Typen auf die Entdeckung von neuen Produkten ab, während andere die Benutzer dazu ermutigen, bereits gekaufte Artikel erneut zu kaufen. Letzteres bietet sich besonders bei Artikeln an, die auf absehbare Zeit verbraucht sind, wie z.B. Staubsaugerbeutel oder Kaffeefilter.

Das E-Mail-Erlebnis

Amazon findet immer wieder neue Möglichkeiten bei der Personalisierung von E-Mails, um Kunden erneut auf seine Website zu holen. Auch dabei lässt der Konzern keine Gelegenheit aus, um Nutzern neue Kaufvorschläge zu unterbreiten. Transaktions-E-Mails enthalten beispielsweise oft Empfehlungs-Widgets, die auf zuvor gekauften Artikeln, Saisonartikeln und Trend-Produkten basieren. Anders als im Web oder auf mobilen Geräten sind E-Mail-Widgets jedoch in der Regel auf zwei Empfehlungen pro Nachricht beschränkt.

Beispiele zu Amazons innovativer Empfehlungsstrategie

Wenn man als Online-Einzelhändler heutzutage Performance und Umsatz seines Geschäfts maximieren will, braucht man mehr als die standardmäßigen Empfehlungen. Nachfolgend habe ich ein paar besondere Methoden aufgeführt, mit denen Amazon seine Empfehlungen umsetzt und die von Einzelhändlern gut für die Optimierung der eigenen Customer Journey umgesetzt werden können.

Ermöglicht den einfachen Vergleich ähnlicher Produkte

Bei der Ansicht einer Produktdetailseite platziert Amazon verschiedene Empfehlungs-Widgets, die nach den allgemeinen Produktinformationen und -details zu sehen sind. Eines dieser Widgets, das in der Seitenreihenfolge den technischen Details und Produktspezifikationen vorangestellt ist, ermöglicht es Kunden, einen schnellen Blick auf ähnliche Produkte nebeneinander zu werfen. Zu den aufgeführten Rubriken gehören beispielsweise Kundenbewertungen, Verfügbarkeit, Preis, Lieferinformationen oder Größenangaben. Dieses Widget hebt Informationen zu anderen verfügbaren Produkten hervor und hilft den Besuchern, eine Kaufentscheidung zu fällen. So findet der Kunde das Produkt, was am besten zu seinen Bedürfnissen passt.

Nutzer zum Einloggen auffordern

Kunden und Händler wissen heutzutage: Je mehr Informationen der Algorithmus über den Nutzer hat, desto genauer sind die Empfehlungen. Das gilt natürlich auch für Amazon und daher fordert der Handelsriese seine Besucher aktiv dazu auf, sich einzuloggen. Erst dann kann das Amazon-Empfehlungssystem die Besuchererfahrung auf einer granularen Ebene anpassen. Deshalb sollten Online-Shops die Registrierung und den automatischen Login für ihre Kunden so einfach wie möglich machen. Für diejenigen, die sich nicht einloggen, empfiehlt Amazon Artikel, die auf den Informationen der laufenden Sitzung basieren oder allgemeine Trend-Produkte sind.

Produkte bereits auf Kategorie-Seiten empfehlen

Amazon geht mit seinen Empfehlungs-Widgets noch einen Schritt weiter und platziert sie nicht nur auf Produktdetailseiten, sondern auf der gesamten Website, einschließlich der Seiten für Kategorien und Produktlisten. Zu den Strategien, die für diese Widgets eingesetzt werden, gehören „Für Sie empfohlen“ und „Mehr Top-Tipps für Sie“.

Weiterführende Kaufempfehlungen ausspielen

Amazon weicht von seinem Standard-Empfehlungs-Widget-Design ab, um Produkte zu bewerben, die Benutzer mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit nach dem Betrachten eines bestimmten Produkts kaufen. Dieser Ansatz folgt der sogenannten Social-Proof-Strategie, denn der Besucher erfährt, welche Produkte von andere Personen in Kombination mit einem bestimmten Artikel gekauft wurden und findet womöglich auch selbst noch ein ergänzendes Produkt zu seinem Kauf. So bringt dieses Widget den Nutzer im Purchase-Funnel voran und führt zu einem volleren Warenkorb.

Kurzfristige Angebote anzeigen (Angebote des Tages, Blitzangebote und Aktionen)

Um ein Gefühl der Dringlichkeit zu erzeugen, dehnt Amazon die Empfehlungen auch auf seine zeitkritischen Produktwerbungen aus und kuratiert eine Sammlung von Empfehlungen aus bestimmten Angeboten. Um die Nutzer noch mehr zu locken, wird der vorherige Preis des Produkts ebenfalls aufgelistet, durchgestrichen und informiert über die prozentualen Ersparnisse beim Kauf des Produkts.

Empfehlungsstrategien für euren Shop

In Amazons Erfahrungsvorsprung liegt auch ein großer Mehrwert für euren Shop. Wir dürfen davon ausgehen, dass die Empfehlungs-Widgets von Amazon bereits praxiserprobt sind und sich als Umsatzgaranten erwiesen haben. Daher bieten Sie euch einen sicheren Ausgangspunkt für die eigene Personalisierung der Customer Journey. Startet mit einfachen Anwendungen und testet den Erfolg mit verschiedenen Empfehlungs-Typen auf verschiedenen Websites. Vergesst nicht, die Produktentdeckung ist ein wichtiger Hebel für die Steigerung eurer Geschäftszahlen – und den gilt es mittels Empfehlungen zu aktivieren. Gute Personalisierungs-Tools bieten euch zahlreiche Vorlagen für Empfehlungs-Widgets, die sich innerhalb kürzester Zeit in den eigenen Shop integrieren lassen.

Quelle der Inspiration

Die hier vorgestellten Erkenntnisse zu Amazons Personalisierungsstrategie stammen aus unserem Handbuch „The Chronicles of a Personalization Giant“, den ihr euch kostenfrei herunterladen könnt. Darin findet ihr weitere wertvolle Analysen zur Produktentdeckung-& Verkaufstaktiken von Amazon und könnt euch aus über 75 illustrierten Anwendungsfällen Inspiration für die eigene Customer Journey holen.

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Über Kerstin Holzinger

Kerstin ist Customer Success Managerin bei Dynamic Yield, wo sie Kunden wie Flaconi und Mister Spex bei der Personalisierung und Optimierung ihrer User Experience unterstützt. Sie ist eine wahre Ideen-Fabrik für neue Shop-Features und die richtige Adresse bei Fragen zu UX-Design, Produktempfehlungen und Customer Journey-Optimierungen.

3 Kommentare

  1. Avatar-FotoMatthias MProve

    Hi Kerstin,
    danke für das Aufgreifen des Themas und die Einblicke, die Du gibst.
    Du schreibst, “[Amazons Empfehlungs-Maschinerie] wurde geschaffen, um die digitalen Erfahrungen von Verbrauchern menschlicher zu gestalten”.
    a) Das glaube ich nicht so ganz. Vielmehr vermute ich, dass es Amazon primär um den Umsatz geht.
    b) Und…? Würdest Du sagen, dass all das nun zu einem *menschlichen* Shopping-Erlebnis beiträgt?
    cheers, Matthias


  2. Avatar-FotoKerstin

    Hi Matthias,

    danke für dein Feedback. Ich denke, dass Produkt-Empfehlungen daran ansetzen die persönliche Beratung durch kompetentes Geschäftspersonal zu imitieren. Im stationären Handel ist es vollkommen normal, dass Produktberatung auf den Kunden zugeschnitten ist. Die durchaus menschliche Gabe auf den Kunden einzugehen, und sich in ihn hineinzuversetzen ist auch das Ziel das über Produkt-Empfehlungen verfolgt wird. Wofür interessiert sich der Kunde? Was sind seine Affinitäten in Bezug auf Marken, Farben und Produktsortiment?
    Ich gebe dir dabei Recht, dass Amazon dies tut um das übergeordnete Ziel zu erreichen seinen Umsatz zu steigern.


  3. Avatar-FotoThorsten Wilhelm

    Spannende Diskussion – die dann auch schnell in die Richtung geht: “Was bedeutet es eigentlich menschlich zu sein, menschlich zu beraten?”

    Ich glaube schon, dass die Empfehlungen unmittelbar darauf wirken sollen den Bedürfnissen der Besuchern des Amazon Webshops (=Menschen) zu entsprechen. Dabei ist das Bedürfnis nach Beratung sicherlich eines, das viele Besucher/-innen haben. Ihm zu entsprechen ist dann schon irgendwie “menschlich”.

    Dahinter steht dann natürlich auch das Ziel den Umsatz zu steigern und mit jedem Euro mehr auch mehr Rendite zu erzielen.

    Der Vergleich zum stationären Handel ist insofern fraglich, da dort Beratung erst dann stattfinden kann, nachdem der Ladenbesucher gezielt befragt wurde: “Kann ich Ihnen behilflich sein?” (Ausnahmen gibt es hier sicherlich auch (Tante Emma), aber die Regel wird sein, dass auch im stat. EH der einzelne Kunden dem Berater nicht bekannt ist). Diese aktive Nachfrage findet bei Amazon nicht direkt statt. Das wiederum ist dann eben nicht menschlich.


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