Berlin, im überfüllten Betahaus Cafe. „UX Design ist einfach überholt. Behavior Design ist das was man jetzt machen sollte.“ Danach folgte ein längerer Vortrag über Behavior Design und was man in Stanford zu dem Thema alles lernen kann. Kurz gesagt, geht es beim Behavior Ansatz darum, dass Verhalten der Nutzer nachhaltig zu verändern und nicht wie beim UX Design ein konkretes Problem oder Bedürfnis zu lösen.
Ich saß im Cafe mit James (nennen wir einfach James), der vor 1 Jahr aus den USA nach Berlin gezogen war und jetzt in einem der hippen StartUps arbeitete. Die Diskussion UX vs. Behavior Design war sehr interessant, aber ich fragte mich wie lange es wohl dauern wird bis sich auch Behavior Design „überholt“ hat. Und klar UX ist mittlerweile ein alter Hut, aber James wird das StartUp, in dem er arbeitet, nicht erfolgreicher machen nur weil er Behavior und kein UX Designer ist. Denn bei guten Produkt-Teams und guten Produktmachern kommt es nicht darauf an, dass man den tollsten Titel trägt und das neueste Vorgehen anwendet – es sind das Mindset und die Kompetenzen, die zählen.
Natürlich ist es wichtig, fachlich auf dem neuesten Stand zu sein und sich weiterzuentwickeln und Behavior Design Vorgehen und Tools stiften sicher einen Mehrwert und bedeuten eine andere Denkweise im Arbeitsprozess, die einem neue Perspektiven bieten kann. Aber so rasant wie sich im Produktentwicklungs-Bereich derzeit Methoden und neue Vorgehensweisen weiterentwickeln ist es nur eine Frage der Zeit bis auch das neueste Vorgehen wieder ein altes Vorgehen ist. Denn fachliche Kompetenzen und Wissen sind wichtig, aber sind noch keine Garantie für den Erfolg.
Ein Produkt-Team aus lauter Experten, alle auf dem neuesten Stand was Methoden und Prozesse angeht, bedeutet noch nicht das das Team erfolgreich sein wird. Doch was unterscheidet erfolgreiche Teams von nicht erfolgreichen? Wie schaffen es einige Teams ein innovatives Produkt nach dem Anderen zu launchen, während andere an den einen Erfolg nie wieder anschließen konnten? Fachwissen, Methoden und Prozesse kommen und gehen – es sind die Persönlichkeiten und die Menschen, die in dem Team arbeiten.
In einer Harvard Business Review Studie wurden die gemeinsamem Merkmale von Innovations-Treibern in Unternehmen untersucht. Diese sogenannten „Discovery Skills“ sind auch die Grundlage für das Product Designer Profil, dass ich gerne beim Aufsetzen von agilen Discovery Teams verwende. Ein Discovery Team hat die Aufgabe aus neuen Ideen schnell und iterativ gute Produkt-Lösungen zu entwickeln.
„Product Designer“ steht hier nicht unbedingt für die klassische Interaction Designer Rolle in einem Discovery Team – es steht für Menschen, die Dinge gestalten und aktiv vorantreiben, unabhängig davon ob sie jetzt Product Owner, Product Manager oder Interaction Designer heißen. Sie verwalten nicht die Anforderungen, die an sie gestellt werden – sie treiben aktiv selbst Verbesserungen und Veränderungen voran.
Das Product Designer-Profil ist eine gute Hilfestellung, um im Team das richtige Mindset zu etablieren. Die drei Kernkompetenzen „Beobachten & Hinterfragen“, „Verknüpfen & Experimentieren“ und „Kollaboration & Netzwerken“ sind die Grundlage des Profils. Je nach Produkt-Kontext muss man es natürlich noch um die entsprechenden Fachkompetenzen ergänzen, wie zum Beispiel Behavior Design Techniken, Responsive Design im Web Umfeld oder Analytics im eCommerce Umfeld.
Grafik: Product Designer Profil
Doch was kannst du als Product Designer tun, um eine innovative Discovery-Kultur in deinem Team zu fördern? Hier sind drei Tipps, die dir helfen können.
1. Sich das Ziel bewusst machen
Nur wenn man sich darüber bewusst ist, welche Veränderung und welchen Effekt man erzielen möchte, macht es Sinn zu starten.
2. Andere mit einbeziehen
Effekte und Veränderungen kannst du nur gemeinsam mit deinem Team erzielen. Allerdings ist es hier wichtig, dass du sie mit klaren Zielen und Effekten überzeugst und ihnen nicht einfach Informationen präsentierst und hoffst, dass sich dadurch etwas ändert.
3. In kleinen Schritten anfangen
Es macht keinen Sinn, sich und andere mit zu großen Zielen zu überfordern. Im Zweifel wird euch das sogar daran hindern loszulegen.
Wer noch mehr über Veränderungsprozesse und die Rolle der einzelnen Team-Mitglieder darin lernen möchte, der sollte sich die „Theory U“ näher ansehen. Hier ist ein Video “Leadership is to shift the inner place from where we operate”, dass die Grundlagen dahinter kurz umreißt. Dieses Modell beschreibt, wie jeder Einzelne mit einer Verbindung von Kopf, Intuition und Handeln konkrete Veränderungen in seinem Umfeld bewirken kann und sollte.
Und ansonsten gilt wie immer – einfach loslegen, experimentieren und nicht zu lange drüber nachdenken.
Hallo,
Verhalten von Nutzern nachhaltig zu verändern, klingt für mich zunächst nach Manipulation. Es mag zu ihrem Besten sein oder nur zum Besten des Unternehmens, was damit Geld verdienen will. Ein Problem für einen Kunden zu lösen, hört sich für mich besser an. Das verstehe ich als Dienstleitung für den Kunden. Dann begegnen sich Kunde und Dienstleister auf Augenhöhe. Sofern der Kunde mitbekommt, dass er nur noch zum Zwecke einer Geldmaschinerie im Hintergrund gemolken wird und es lange nicht mitbekam, wie er manipuliert wurde, wird er sich sicher verabschieden, denn er muss sich ausgenutzt vorkommen. Was einem zum Vorteil reicht, kann langfristig keine Grundlage für ein dauerhaftest Geschäftsmodell sein, es sei denn, jemand hat Spaß daran, sich ständig neue Verführungsmethoden auszudenken.
Viele Prozesse oder Vorgehensweise scheinen oft nur eine Fassade zu sein, weil sie gerade modern sind, einen umschmeicheln, besonders mitten im Trend zu sein. Das reicht dann oft, um bei Kunden zu punkten oder ein Qualitätszertifikat zu bekommen. Das heißt aber lange noch nicht, dass jeder im Unternehmen so einen Prozess aus Überzeugung lebt und dessen Vorteile wahrhaft verstanden hat. Für das Aufstellen einer Fassade reichen weniger Leute aus als für das Errichten eines kompletten Hauses dahinter. Wenn ich dann an die Theory U denke und von dem Ansatz aus der inneren Haltung heraus, aus dem geschaffenen Raum um mich herum, die Befähigung zu erschaffen, etwas Neues zu schaffen und aus den eigenen Grenzen auszubrechen, dann ist es mit Sicherheit etwas, ein besonders kreatives Potential zu entfalten, ein besonders Produkt oder einen besonderen Moment entstehen zu lassen.
In der Industrie verliefen die Projekte, die ich kenne, meist so, dass erst ein Auftrag da sein musste, bevor losgelegt wurde. Die grobe Produktidee ist dann meist schon festgelegt, bevor Entwickler oder Produktdesigner anfangen, ein Produkt zu entwickeln aus Hardware und Software. Es existiert Wissen und die Fähigkeit, ein Produkt nach Kundenwunsch zu produzieren, aber erst wird darauf gewartet, einen Kunden zu haben, der einem dies finanziert. Damit fehlt im Vorfeld das Geld und die Zeit, sich experimentell oder im direkten Austausch von Kunde und Entwicklung einer besseren Produktidee zu nähern. Eventuell ist beim Ausarbeiten der Produktidee auch nicht jeder beteiligt, was eine einseitige Sicht fördern kann. Meist muss es dann schnell gehen und die Zeit, sich ernsthaft mit allen auseinander zu setzen fehlt. Es wird in Nachbesserungsschleifen agiert und reagiert, sobald der Kunde Fehler entdeckt. Eigentlich geht es nur noch um das Realisieren eines Projekts und nicht mehr um das Schaffen eines guten Produkts, um ein Projekt zu realisieren. Die Hauptsache wird zur Nebensache, weil eine innere höhere Quelle fehlt, weswegen dies alles getan wird. Daher wird die Arbeit zur Geschäftigkeit und der Inhalt und das Thema des Tuns austauschbar. Ich denke, ein gutes Produkt erfordert neben dem Wunsch, damit Geld zu verdienen, ein höheres Ideal oder Motiv, warum so ein Produkt entwickelt wird. Sonst fehlt der Anreiz, es wirklich gut zu machen, oder gar die Motivation und der Ehrgeiz, die Arbeit für das letzte Quantum Perfektion zu priorisieren, zu finanzieren oder überhaupt den Rahmen zu schaffen, diese Perfektion entstehen zu lassen.
Man kann den Eindruck gewinnen, dass die richtige Fassade, das viele Tun, genug Projekt, genug Geld und Gewinn wichtiger sind, als effektiv zu arbeiten. Vermutlich sind die Anforderungen von außen so erdrückend, dass Mensch geneigt sind, sich diesem Diktat zu beugen, aber dabei vergessen an die Basis zu denken, welche das alles trägt, nämlich ein gutes Produkt, welches durch effektives Arbeiten daran entstanden ist. Oft sind wir wohl zu beschäftigt mit höheren Dingen, um darüber nachzudenken, ob die Bedingungen so gesetzt sind, dass die Entwicklung es auch realisieren kann in den vorgegebenen Zeitstrecken und mit den vorhandenen Mitteln. Die Komplexität der Situation verführt geradezu dazu, dass Probleme bei den Entwicklern und den Umsetzern gesehen werden. Die Hierarchie verführt dazu, Ursachenforschung dort zu betreiben, wo man sich am wenigsten dagegen wehren kann. So denkt halt keiner darüber nach, Randbedingungen anders zu gestalten, weil alle nur noch beschäftigt sind, einst gemachte Versprechungen gegenüber den Kunden zu erfüllen.
Ich meine, die innere Haltung oder Quelle ist wichtig, um im Trudel der Geschehnisse nicht unterzugehen oder zur Erkenntnis zu kommen, dass ich vor der ersten Ernte doch mehr Geld investieren muss, als mir lieb ist oder mir erhofft habe.
Viele Grüße
Detlev