Mit einer Menge Vorfreude im Gesicht stand ich am 18.04. vor den Türen der Katholischen Akademie in Hamburg zur Mind the Product Engage 2018. Ich hatte das volle Paket gebucht: Einen Workshop, das Blind-Date-Dinner und den Vortragstag. Mein ganz persönliches Ziel: Ein paar konkrete Todos mit nachhause nehmen, die sich direkt umsetzen lassen. Durch den Plan, anschließend ein Review zu schreiben, war ich zusätzlich motiviert.
Ein paar Zahlen vorab: Knapp 350 Produktmanager treffen sich, um einen Tag lang über die spannenden, lustigen und herausfordernden Themen zu sprechen, die einen bei der Arbeit an einem Produkt bewegen. Optional lässt sich am Vortag ein Workshop dazu buchen, sowie ein Blind Date Dinner am Workshop-Abend mit sieben weiteren Teilnehmern. Den Abschluss macht eine als Netzwerkveranstaltung getarnte Party.
Der Workshop
Für mich begann es mit einem ruhigen Checkin am Donnerstagmorgen. Das Wetter war herrlich, der Kaffee leider unterirdisch (wahrscheinlich nur, um den Barista-Kaffee am Folgetag umso eindrucksvoller erscheinen zu lassen).
Ich hatte mich für den Workshop „User Storymapping“ entschieden. Auch die anderen Workshops klangen spannend. Meine zweite und dritte Wahl wäre Product Roadmapping und Stakeholder Management gewesen. Nicht zuletzt entschied ich mich wegen Jeff Patton, einem der Urväter der “User-Story”, für den Workshop User-Storymapping.
Der Teilnehmerkreis des Workshops war überraschend international. Alle Erfahrungsstufen von Produktmanagern waren vertreten und folgten den Live-Zeichnungen von Jeff. Er skizzierte das Skript über eine modernere Interpretation des Overheadprojektoren aus der Schulzeit, während er die Konzepte dahinter erklärte. Wir fingen ganz vorn, bei der User Story, an. An erschreckend vielen Stellen wurde mir bewusst, wie schnell die hinter der User-Story liegende Idee durch die tägliche Arbeit verschwimmt. Am Ende waren es die vermeintlichen Basics, die hängen blieben. Konkrete ToDos ergaben sich wie von selbst:
1. Kein Jira mehr bei Refinements. Es geht um das gemeinsame Verständnis und gemeinsames Visualisieren einer Story. Öffnet man ein Jira Ticket und bearbeitet die Story dort, ist Kreativität und gemeinsame Interaktion nur begrenzt möglich. Fun Fact: Produktmanager bei Atlassian nutzen kein Jira für ihre User-Stories.
2. Den lange überfälligen Umzug zum Team – vorerst auch ohne Telefon und ausreichend Platz – direkt umsetzen. Kommunikation hat Priorität.
Das Blind Date
Abends hatte ich das MTP Engage-Vorabend-Blind-Date gebucht. Mit sieben weiteren Konferenzteilnehmern traf ich mich abends um lecker etwas zu essen und mehr über andere Produkte zu erfahren. Schön war, dass hier nicht nur das “Wie” des Produktmanagement Platz fand, sondern jeder erzählte auch an “Was” er/sie tatsächlich arbeitet. Von Pipeline-Software, 100 Jahre-alten Startups, Inkubatoren, und dem sturen manuellen Einlesen von gigantischen Excel-Tabellen war die Mannschaft bunt gemischt. Ein Gruß an dieser Stelle an meinen Sitznachbarn Hans Joachim, der einen äußerst treffenden Conference-Review verfasst hat! Ein angenehmer Nebeneffekt: Dadurch lässt sich hervorragend die Menge der Gesichter erhöhen, die man am nächsten Tag wieder erkennt.
Der Konferenztag
Das Haupt-Event stand unter einem guten Stern. Herrliches Wetter und großartiger Kaffee. Es begann mit der Begrüßung durch MTP Gründer Martin Eriksson. Vielen Dank an dieser Stelle auch an Petra und Arne, die gekonnt sowohl im Auditorium als auch im Panorama Room durch den Tag führten. Dabei fanden englische Beiträge im Auditorium und Beiträge auf Deutsch im Panorama Room statt.
Julia Whitney leitete als erste Keynote-Speakerin ein Thema ein, das sich durch den Tag ziehen sollte. Ihre These: Produktmanager haben einen überproportional starken Einfluss auf das eigene Team. Das eigene Verhalten bestimmt, wie das Team sich fühlt. Fühlt es sich sicher, ist die Performance gut. Fühlt sich das Team nicht sicher, so leidet die Performance. Sie appellierte damit an die Produktmanager, sich ihrer Rolle deutlicher bewusst zu werden. Ich fand ihr Beispiel von „Giant John“, der aufgrund seiner Größe sowohl Schaden anrichten, als auch Dinge wieder in Ordnung bringen kann, sehr einprägsam.
Lukas Vermeer von Booking.com zeigte als nächster Keynote-Speaker mit viel Humor, dass es auch okay ist mal ein halbes Jahr in die falsche Richtung zu optimieren. Zumindest blieb dies bei mir hängen. Er nutzte ein sehr anschauliches Beispiel um zu verdeutlichen, dass man herausfinden sollte, wie Nutzer das eigene Produkt anwenden, bevor man Bereiche optimiert die für den Nutzer eventuell keine Rolle spielen. Ein weiterer Punkt für meine Liste fiel mir ein:
3. Nutzer-Feedback für dieses eine Feature doch noch einmal einholen.
Mir gefielen diese beiden ersten Vorträge in der Kombination besonders gut, da sie sich wunderbar ergänzten. Auf einer abstrakten Ebene befasst man sich mit der eigenen Rolle und im Tagesgeschäft versucht man den Nutzer und damit den Impact der eigenen Maßnahmen nicht aus den Augen zu verlieren. Die folgenden Vorträge ließen sich sehr gut in diese beiden Kategorien einteilen.
Mit rund 350 Gesichtern war die Teilnehmermenge überschaubar und alles andere als anonym. Als Erstteilnehmer der Konferenz fragte ich mich jedoch, mit welchen Produkten und Themen sich die Leute um mich herum beschäftigen. Der Batch mit Namen und Firma war dabei zwar hilfreich, leider jedoch erst, wenn man direkt voreinander stand. Möglicherweise lässt sich dies in Zukunft noch zu optimieren. Einen ersten Schritt machten Dominikus Baur und Daniel Goddemeyer, indem Sie über die Smartphones der Teilnehmer live-Daten aus dem Publikum sammelten und auf der Leinwand aufbereiteten. Auch wenn die Aussagekraft der Daten zum Ende nachließ, so bekam man ein sehr gutes Bild vom Teilnehmerkreis. Am Ende wurde jedem Teilnehmer zum Netzwerken das Bild eines Anderen angezeigt. So bringt man Menschen zusammen, klasse gemacht.
Es war eine Steilvorlage sich zu vernetzen. Neben der häufigen Erwähnung des großartigen Wetters (besonders die Hamburger äußerten dies auffallend oft), hatte man beim Mittagessen die Möglichkeit das Gehörte direkt zu diskutieren. Auf ein lockeres “Wie ist das bei euch?” bekommt man Antworten, die zusätzlich zu den Vorträgen über den eigenen Tellerrand schauen lassen. Ganz klar hatte ich direkt ein weiteres Todo:
4. Noch mehr Netzwerken –> Wann ist der nächste Product Tank?
Zum Thema Product Discovery vs Arbeitsalltag hatte ich mir etwas mehr versprochen. Das Thema ist für mich sowohl Himmel als auch Hölle. Es funktioniert hervorragend, leider ist immer zu wenig Zeit dafür. Daher hatte ich hohe Erwartungen. Die Speaker der Produktmacher machten Ihre Sache sehr gut, nur fehlte der Funke, der mir geholfen hätte das Problem der fehlenden Zeit zu lösen.
Besonders ausgiebig wurde die Rolle und das Selbstverständnis des Produktmanagers diskutiert. Die eine Seite rät zum Dienen, die andere zum Führen. Man muss auf den Nutzer hören, darf jedoch nicht alles blind umsetzen. Man muss internen Stakeholdern gegenüber verständnisvoll sein, sich jedoch nicht dazu hinreißen lassen sinnlose Dinge umzusetzen. Innerhalb des Teams muss man lateral führen, darf sich jedoch nicht als Experte für alles aufspielen.
Sehr passend zu diesem Thema waren die Beiträge von Robert Neuhann, Tim Herbig und Paul Adams. Robert lieferte dazu eine interessante Perspektive. Wie schneiden Produktmanager in einem Persönlichkeitstest ab? Nicht ganz überraschend ähneln sich die Persönlichkeiten in den Tests sehr.
Tim Herbig schaute sich die laterale Führungsrolle der Produktmanager an und gab hilfreiche Tipps diese Rolle zielgerichtet auszufüllen.
Paul Adams brachte die Zuhörenden dann wieder auf den Boden der Tatsachen. Nach den Beiträgen, die die Führungsrolle der Produktmanager in den Vordergrund stellten, betonte er, dass man nur ein Teil des Ganzen ist. Erfolgreich kann man nur mit dem gesamten Team sein.
Ich finde Jeff Patton brachte es sowohl im Workshop als auch in seiner Keynote auf den Punkt. Der Produktmanager muss genau die Rolle einnehmen, die dabei hilft das “gemeinsame Verständnis” zu entwickeln. Zu einer User-Story mit dem Team, zu einem Feature mit dem Nutzer oder der Produktstrategie mit den Stakeholdern. Dazu gehört eine gute Portion Flexibilität, Toughness und Feingefühl. Wenn dem Produktmanager dies gelingt, so ist die Wahrscheinlichkeit hoch, das richtige Produkt zu bauen.
Mein Fazit
Mein Highlight war ganz klar der Workshop. Viele Informationen in relativ kurzer Zeit sehr einprägsam vermittelt. Am eindrucksvollsten sind dabei die Erkenntnisse, die man nicht erwartet. Ich hatte mir vorgenommen eine Palette an Tools und Methoden zur Erstellung einer Storymap mitzunehmen. Stattdessen habe ich weit mehr über die Basics gelernt. Vor lauter Scrum Artefakten kommt der Gedanke dahinter häufig zu kurz. ToDo 1 und 2 konnte ich bereits umsetzen. Nummer 3 ist geplant und den Besuch des nächsten Product Tanks habe ich mir zumindest fest vorgenommen.
Ich denke die schwierigste Aufgabe ist es, regelmäßig einen Schritt zurück zu machen, um die eigenen Methoden und das eigene Verhalten zu reflektieren. Warum funktioniert X nicht? Hätte ich an einer anderen Stelle anders handeln sollen? Bei diesem Schritt zurück haben mir die zwei Tage absolut geholfen. Ich fand es wunderbar zwei volle Tage rauszukommen, etwas Neues zu lernen und mein Mindset kalibrieren zu lassen. Je öfter man dazu die Gelegenheit bekommt, desto besser. Mein fünfter Punkt auf der ToDo-Liste ist demnach ganz klar die Anmeldung zur MTP Engage 2019, auch wenn die leider noch etwas hin ist.
Und für alle die nicht dabei sein konnten, hier das offizielle Recap-Video:
Ein sehr schöner Rückblick. Danke Hendrik!
Tolle Zusammenfassung – stimmt voll und ganz zu!