Lokalisierung ist keine Tätigkeit, die man mal eben im Nachhinein durchführt, sondern ein integraler Bestandteil des Produktentwicklungsprozesses. Und sie gilt auch heute als Inbegriff der Benutzerfreundlichkeit. 75% der Weltbevölkerung fühlen sich beim Umgang mit lokalisierten Produkten wohler und sicherer – einfach alles auf Englisch zu belassen funktioniert nicht mehr. Die Integration einer Lokalisierungsstrategie in die Produktentwicklungsplanung und ihre Zyklen ist daher von ganz entscheidender Bedeutung. Ich werde hier einige bewährte Verfahren und Lösungen für die Lokalisierung näher erläutern.
Lokalisierungsstrategie als integraler Bestandteil der Produktentwicklung
Durch stetige Optimierung haben Lokalisierungsunternehmen eine verlässliche Methode gefunden, um internationale Produkteinführungen auf den Weg zu bringen und kontinuierlich zu lokalisieren. Viele Unternehmen versuchen, neue Sprachen ohne eine angemessene Planung einzupassen, was sich als kostspieliger Fehler herausstellen kann.
Unternehmen mit einer nur schwach ausgeprägten Lokalisierungsplanung sehen sich dann gezwungen, aus den oft höheren Folgekosten sehr schnell zu lernen. Das Problem entsteht, wenn die Arbeit von Entwicklern, Übersetzungsmanagern und den eigentlichen Übersetzern nicht korrekt aufeinander abgestimmt ist. Zu übersetzende Texte – im Allgemeinen in der Benutzeroberfläche – und die lokalisierten Versionen werden nicht synchron aktualisiert. So wird beispielsweise beim Code für bestimmte Textbereiche der für einige Sprachen erforderliche Platzbedarf nicht berücksichtigt, sodass zusätzliche Arbeitsstunden erforderlich sind, um dieses Problem zu beheben. Dies ist eines der Hauptprobleme, über die sich Übersetzer beklagen:
Ich übersetze viele im Original chinesische Spiele. Diese werden zuerst ins Englische übersetzt, und die englische Version dient dann als Grundlage für die Übersetzung in andere Sprachen. Chinesische Wörter scheinen aber noch kürzer als englische zu sein, sodass es für die Programmierer oft schon schwierig ist, den englischen Text unterzubringen. Und bei der Übersetzung ins Deutsche, wo das durchschnittliche Wort noch einmal 50 bis 100% länger ist als im Englischen, ergeben sich dann nahezu unlösbare Probleme.
-Kay-Viktor Stegemann- EN / CN – DE-Übersetzer
Zusätzlich zu den höheren Kosten kann es auch zu verzögerten Markteinführungen in neuen Ländern und Regionen kommen. Häufig stellen Manager irgendwann fest, dass nicht alles übersetzt wurde und müssen sich dann sehr beeilen, um den Zeitrückstand aufzuholen. Oder das fertig entwickelte Produkt entspricht nicht den lokalen Standards, zum Beispiel wenn bei der Begrüßung in einer bestimmten Sprache männliche oder weibliche Anredeformen vergessen werden, wo sie eigentlich nötig wären.
Den richtigen Anfang machen
Durch Einbeziehung eines Lokalisierungsprozesses von Anfang an und Auswahl der richtigen Übersetzungsprogramme und Anbieter lassen sich Übersetzungen auf technischer Ebene automatisieren und beschleunigen. Die Übersetzer können dann überzeugendere und besser an den jeweiligen Kontext angepasste Ergebnisse liefern.
Am hilfreichsten sind Anbieter, die geeignete Prozesse und optimale Übersetzungsmanagement-Tools für eine konkrete Aufgabe empfehlen können. Einige Unternehmen wie Alconost mit Hilfe von cloudbasiertem Übersetzungsmanager Crowdin können benutzerspezifische Connectors entwickeln, die sich gut in das Content Management System des Unternehmens integrieren lassen. Dies ermöglicht nahezu fehlerfreie Prozesse.
Anleitung und Phasen der Lokalisierung
Prozesse und Richtlinien sind bei einer Lokalisierungsstrategie das A und O. Sie sorgen dafür, dass eine effektive Lokalisierung zentraler Bestandteil des Entwicklungsprozesses digitaler Produkte ist. Weitere Schlüsselfaktoren sind die strategische Planung internationaler Produktversionen und das Outsourcing an einen Lokalisierungsdienstleister. Dieser unterstützt das Unternehmen bei seiner Lokalisierungsstrategie und muss auch Produktentwicklung, Produktdesign und Benutzererfahrung vollkommen nachvollziehen können.
Wenn der Entscheidungsträger die Vorbereitung für eine neue Sprache in die Wege geleitet hat, läuft eine Kettenreaktion ab, von der mehrere Parteien betroffen sind. Alle Beteiligten müssen reibungslos zusammenarbeiten. Der Lokalisierungsprozess besteht aus fünf Phasen, die Elemente aus den Bereichen Sprachwissenschaft, Entwicklung und Produktmanagement umfassen:
Phase 1: Überprüfung der Ausgangstexte
Sobald die Ausgangstexte für die Originalversion des Produkts erstellt sind, werden sie vor der Übersetzung lektoriert. Das Korrekturlesen kann auf zahlreichen Ebenen durchgeführt werden, entweder in einer Quelldatei oder in der Übersetzungsmanagement-Software. Sobald keine Grammatik- oder Rechtschreibefehler mehr zu finden sind, kann zur nächsten Phase übergegangen werden. Wird dieser Vorgang hinausgezögert, führt dies in der Regel zu Mehrarbeit, da eventuelle Fehler auch in die Zielsprachen übernommen werden. Vor der Markteinführung müssten dann sowohl diese Texte als auch die lokalisierten Produktversionen überarbeitet oder korrigiert werden.
Zusätzlich sind alle Ausgangsmaterialien unter sämtlichen kulturellen, technischen und sprachlichen Aspekten zu bewerten. Diese Aufgabe kann ein Lokalisierungsunternehmen übernehmen.
Phase 2: Produktlokalisierungstests
Es ist gängige Praxis, im nächsten Schritt eine Pilotsprache (außer Englisch) zu starten, um so zu prüfen, ob das inzwischen stabile entwickelte Produkt bereit für die Lokalisierung ist. Durch Testen der Lokalisierbarkeit in einer bestimmten Sprache können die Beteiligten Problembereiche jeglicher Art feststellen. Es werden dann Rückmeldungen von lokalen Anwendern und Testern sowie auch von fachkundigen Dritten aus der Branche gesammelt. Nach Behebung aller festgestellten Probleme ist die Sicherheit der Übersetzung in weitere Sprachen gewährleistet.
Phase 3: Zusammenarbeit mit einem Drittanbieter von Übersetzungen
In dieser Phase empfiehlt es sich, jegliche Änderungen an der Benutzeroberfläche zu stoppen, die Inhalte zu sperren und alle Updates für einen künftigen Sprint beizubehalten. Dem Übersetzungsunternehmen müssen alle benötigten Materialien zur Verfügung gestellt werden. Dazu gehören die Übersetzungstools, Software wie Cloud-Plattformen, CRM und CMS und Übersetzungsplattformen von Drittanbietern. Ein gewisser Zugriff auf das Produkt selbst ermöglicht den Übersetzern ebenfalls ein besseres Kontextverständnis.
Zusätzlich sind Anweisungen zum Arbeitsablauf der Lokalisierung, Styleguides und Glossare bereitzustellen.
Die Styleguides enthalten folgende Elemente:
- Grundlegende Stilrichtlinien
- Formatierung
- Tonfall
- Ansprache
- Stil
- Markenpersönlichkeitsspektrum
- Arten von Käufern
Glossare, die aus Konsistenzgründen benötigt werden und hilfreich sind, wenn viele verschiedene Übersetzer an einem Projekt mitarbeiten, enthalten alle spezifischen Begriffe für ein bestimmtes Produkt. Es kann einige Varianten geben, mit denen sich oft problematische Wörter vermeiden lassen, die zu Fehlinformationen führen könnten.
Zusätzlich sorgt permanente Kommunikation, beginnend mit einer Kick-off-Besprechung und mit anschließenden wöchentlichen Kontrollanrufen, für eine konsequente Nachverfolgung.
Phase 4: Bewertung der Übersetzungsqualität
Wenn die Übersetzungen fertiggestellt sind, ist es gängige Praxis, das lokalisierte Produkt von einer weiteren Partei überprüfen zu lassen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Texte in der neuen vorgesehenen Region wirklich optimal funktionieren. Zusätzlich werden Stil, Grammatik und Rechtschreibung sowie die entsprechende Beachtung der Styleguides und Glossare kontrolliert. Auch wird geprüft, ob einige Zeichenketten unübersetzt geblieben sind, weil sie von der Software übersehen wurden oder auch aufgrund menschlichen Versagens.
Phase 5: Korrekturen an der Benutzeroberfläche und restliche Übersetzungen
Wenn die Übersetzungsarbeiten abgeschlossen sind, lässt sich die Benutzeroberfläche bei Bedarf noch weiter anpassen. Weitere Elemente wie Grafiken, Skripte und sonstiges können ebenfalls lokalisiert werden.
Lösungen für fortlaufende Lokalisierung von Software und Produkte
Der nächste Schritt der Lokalisierungsstrategie ist die Etablierung eines ebenso wirksamen kontinuierlichen Übersetzungsprozesses. Dabei geht es um die Vornahme regelmäßiger Aktualisierungen für Kopien, Code, Produktänderungen und neue Meldungen im Produkt. Dies unterscheidet sich hinsichtlich Bedeutung und Umfang vom Start einer neuen Sprache. Es gibt dabei im Allgemeinen weniger Wörter zu übersetzen, dafür aber häufiger. Entwickler, Produktmanager und der ausgewählte Lokalisierungsdienstarbeiter müssen zusammen ein automatisiertes und kostengünstiges Verfahren schaffen.
Ein mögliches Problem bei der laufenden Lokalisierung ist mangelnde Konsistenz im Produktlebenszyklus. Vordefinierte und dokumentierte Standardarbeitsanweisungen, Glossare und Styleguides sind durchgehend zu beachten.
Integration von Übersetzungsmanagement-Software
Der Schlüssel zur Lösung ist für Unternehmen die Verwendung einer von Lokalisierungsexperten ausgeführten Übersetzungssoftware, die mittels API in ihre eigenen Websites und Plattformen integriert ist. Produktmanager, Lokalisierungsexperten und Übersetzer können darauf zugreifen und werden benachrichtigt, wenn eine neue Zeichenkette – ein Wort, ein Satz oder ein Abschnitt – zu übersetzen ist. Dies erfolgt entweder automatisch gemäß einer entsprechenden Vereinbarung, oder es wird jedes Mal ein Arbeitsauftrag erteilt.
Im Fall einer Integration erscheinen die übersetzten Zeichenketten sofort in der Software oder im Produkt. So lässt sich das wiederholte und gleichzeitig zeitaufwendige Hoch- und Herunterladen von Dateien vermeiden. Eine kontinuierliche Lokalisierung kann auf täglicher oder wöchentlicher Basis oder während eines Sprints durchgeführt werden. Glossare und Styleguides müssen eventuell nach Produktänderungen oder Markenwechseln des Unternehmens ebenfalls häufig aktualisiert werden.
Fazit
Letztendlich ist die anfängliche und kontinuierliche Lokalisierung ein integraler Bestandteil der Entwicklung neuer Produkte. Wenn keine Lokalisierungsstrategie umgesetzt wird und die genannten praxisbewährten Verfahren nicht ernst genommen werden, kann sich dies nachteilig auswirken. Ihre Beachtung und Anwendung ermöglicht hingegen eine effektive Produktglobalisierung für Kunden auf der ganzen Welt.
Danke für den Artikel! Als UI Designerin für internationale Produkte ist für mich leider an der Tagesordnung Elemente und Layouts abändern zu müssen um bsplw. der deutschen Version genug Raum geben zu können. Leider sind die Basistexte in Englisch, die Übersetzungen kommen erst nach Abschluss der Designphase.
Für die gängigen Design-Apps gibt es leider keine Lösung Übersetzungen automatisiert einfliessen zu lassen, alle Texte müssen händisch gesetzt werden. Dadurch erhöht sich der Aufwand und die Fehleranfälligkeit. Es wäre schön wenn dieses Thema also mehr Gehör findet und so vielleicht auch an dieser Stelle effizienter und sauberer arbeiten zu können.
Hi, ich komme aus der Medizintechnik-Branche (als Produktmanager) und hier ist Lokalisierung essentiell, denn sie ist vom Gesetz vorgeschrieben. D.h. ich muss mir von Anfang an Gedanken machen, in welche Ländermärkte ich mit dem Produkt gehen will und hier auch eine Priorisierung vornehmen. Und nein, die EU ist kein Land, hier gilt: Für jedes Land die entsprechende Sprache und ggf. auch noch weitere lokale (gesetzliche) Anforderungen, die zu beachten sind. Deshalb gebe ich Loïe recht. Lokalisierung ist nichts, was man im Nachhinein macht, sondern man sollte sich Voraus Gedanken dazu machen, auch im Interesse des Business. Danke für den Artikel und viele Grüße.