Machine Learning – Schlüsselwerkzeug für Disruption

Die Welt hat sich in den letzten Jahrzehnten durch die Digitalisierung wesentlich und in unglaublichem Tempo verändert und wird dies auch weiter tun. Im Moment werden viele Unternehmen digital transformiert, oder die klugen Köpfe überlegen, wie sie diese Veränderung bei sich starten können.

Als Produktmanager*in oder Product Owner steckst du häufig im täglichen Klein-Klein der Themen, die du lösen musst, fest. Dabei tritt der Blick für die strategische Ausrichtung deiner Aktivitäten allzu oft in den Hintergrund. Das eigene schlechte Gewissen mahnt, sich endlich einmal Zeit für Innovation oder besser noch: für das Entdecken disruptiver Ideen zu nehmen. 

Jetzt ist Gelegenheit, genau das zu tun und einen Ansatz für wirklich Neues zu entdecken. Denn mit Machine Learning steht ein Werkzeug bereit, das viele noch gar nicht ausreichend auf dem Radarschirm haben und mit dem man Probleme lösen kann, die mit herkömmlicher Softwareentwicklung gar nicht lösbar sind. Und daher gibt es zu diesem Thema in den kommenden Monaten einige Artikel auf produktbezogen. Dieser hier ist soll die Grundlagen legen und ist der Auftakt einer kleinen Serie.

Doch zunächst zurück zur Digitalisierung, die derzeit sicher auch deine tägliche Arbeit bestimmt. Wesentliche Faktoren der digitalen Transformationsprozesse sind:

  • Daten stehen digital auf Datenträgern (Stick, CD, SSD, Server, Cloud) zur Verfügung und werden nicht mehr auf Papier, in Köpfen oder gar nicht gespeichert.
  • Daten liegen nicht mehr irgendwo lokal auf einem Computer, sondern es kann durch Netzwerke in Echtzeit ohne Verzögerung auf Daten und Sensoren  zugegriffen werden. Dies erfolgt wesentlich durch das Internet. Durch den 5G Standard für Mobilsysteme wird dies in absehbarer Zukunft auch für bewegliche Objekte wie Autos, Drohnen, Roboter oder Teile in einer Fabrik gelten.
  • Daten können durch Programme verarbeitet werden. Diese Programme werden von Menschen (Software-Engineers) geschrieben – nicht zufällig werden Experten aus diesem Bereich händeringend gesucht.

Durch diese drei Techniken konnten unzählige Probleme gelöst werden, hier nur ein paar Beispiele:

  • Menschen können von zu Hause auf ihr Konto zugreifen.
  • Menschen können Produkte im Laden, aber auch im Internet kaufen.
  • Maschinenparks können statt über Papier und menschliches Rufen durch digitale Systeme gesteuert werden.

Die digitalen Lösungen der Probleme basieren alle darauf, dass Menschen Programme geschrieben haben, die den Umgang mit den Daten für den Menschen (Nutzer) möglich machen und die problemspezifischen Verarbeitungsschritte implementiert haben.

Für strategische Denker*innen und Produktverantwortliche stellen sich an dieser Stelle zwei offensichtliche Fragen:

  1. Gibt es Probleme, die auf die beschriebene Art nicht lösbar sind?
  2. Gibt es Probleme, die auf andere Art besser gelöst werden könnten?

Ich möchte die Antworten auf diese Fragen an einem Beispiel verdeutlichen:

Nehmen wir an, wir möchten ein Programm schreiben, mit dem wir identifizieren können, ob sich auf einem Foto eine Katze befindet. Diese Software könnte dann gut den Einlass für eine Katzenklappe steuern. Ein von Software Developern geschriebenes Programm müsste Anweisungen enthalten der Art „wenn istKatzenAuge(suche_Auge) und abstand(position(suche_Auge), position((suche_Ohr)) < 5 cm“.

Für die Programmierer*innen der Katzenerkennung ergeben sich beispielhaft die folgenden Schwierigkeiten:

  • Die Abstandsabfrage ist nur bei einer bestimmten Größe des Bildes möglich. Man müsste für alle Distanzen der Katze von der Kamera einen eigenen Programmcode schreiben.
  • Ein Hindernis könnte sich vor dem Ohr befinden, etwa ein fliegendes Blatt. Der Programmcode funktioniert dann nicht.
  • Allein die Funktion „sucheAuge“ müsste alle Pixel auf dem Bild durchsuchen. Der Programmierer müsste dabei Programmcode für alle Farbkonstellationen, Licht-und Schattenkonstellationen, Pupillengrößen und Größen des Auges auf dem Bild fest programmieren. Die Menge an Programmcode für dieses Unterfangen wäre riesig.
  • Für Teile der Katze wie Augen, Nase, Maul, Ohren, Körper, Fell, Schwanz müsste für alle Ansichten (vorne, hinten, seitlich) und Bewegungsformen (springend, schleichend, gehend und alle Zwischenformen) geprüft werden, ob die Positionen, Abstände und Größenverhältnisse übereinstimmen.
  • Wie genau könnte man ein Katzenauge in jedem Fall für alle Katzenrassen von einem Rattenauge in einer bestimmten Konstellation unterscheiden?

Diese Aufgabe möchte man niemandem im Software Development zumuten, eine schier unendliche Menge von Programmcode könnte die Aufgabe vielleicht näherungsweise lösen, wäre aber sehr fehleranfällig. Irgendeine Konstellation wäre im Programm mit den festen Abfragen bestimmt nicht berücksichtigt.

Mit Machine Learning geht man ganz anders vor. Was eine Katze ist, was sie ausmacht, wird nicht durch Programmcode beschrieben. Kein Programmierer ist am Werke, sondern eine Maschine, die lernt. Keine Programmiererin legt Unterscheidungen wie Maul, Auge oder Katzenöhrchen fest. Auch die Unterscheidung Abstand, Position, Licht, Farbe, Größe gibt es für die Maschine zunächst einmal nicht.

Stattdessen trainiert man die Maschine mit einer Million Katzenbildern (und sagt der Maschine: da ist eine Katze drauf) und einer weiteren Million Bildern, auf denen Hunde, Ratten, Vögel oder auch andere Dinge abgebildet sind (und sagt der Maschine: da ist keine Katze drauf). Der Supervised Learning Algorithmus bildet autonom, ohne Vorgabe durch einen Menschen, Muster und Unterscheidungen heraus, die ihm helfen, Katzen auf Bildern ähnlich gut zu erkennen wie ein Mensch (menschenähnliche Performance). Die Erkennungskriterien können der menschlichen Wahrnehmung ähneln (z.B. Umrisse, Farben, ..), müssen es aber nicht. Fester Programmcode wird durch Wahrscheinlichkeitsmuster ersetzt.

Nun zurück zu den Fragen und den dazu gehörigen Antworten für strategische Denker*innen und Produktverantwortliche:

  1. Ja, es gibt Probleme, die nicht mit dem üblichen Programmieren gelöst werden können, dafür aber durch Machine Learning Ansätze.
  2. Ja, es gibt Probleme, die bisher konventionell mit Programmieren gelöst wurden, aber mit Machine Learning Ansätzen besser gelöst werden können.

Für die zweite Antwort erinnern wir uns an die scheinbar künstlich intelligenten Expertensysteme der 1980er Jahre. Hier waren die Expertenantworten nach Regeln fest programmiert. Entsprechend limitiert war auch der Ansatz. Auch Chatlösungen waren ursprünglich fest programmiert und limitiert, heutige Chatbots, die aus den richtigen Trainingsdaten Antworten finden, sind um Klassen besser, weil die „intelligenteste“ Antwort nicht hart codiert, sondern aus statistischen Mustern ermittelt wird.

Wir können also mit Hilfe von Machine Learning Ansätzen neue Probleme lösen und einige Probleme besser lösen als durch konventionelle Programmierung. Wir müssen nicht mehr programmieren, um zu Lösungen zu kommen, die Algorithmen programmieren sich selbst. 

Für die Produktverantwortlichen dieser Welt wie dich steht also ein ähnlich mächtiges Werkzeug zur Verfügung wie dereinst beim Aufkommen des Internet. Für mich ist Machine Learning deshalb das Schlüsselwerkzeug für weitere disruptive digitale Transformationen, und es wird die Geschwindigkeit der Veränderung weiter erhöhen.

Ich würde gerne jedem auf der guten Seite der Macht helfen, dieses mächtige Werkzeug an den richtigen Stellen einzusetzen und die (neuen) Probleme und Lösungen zu finden. Sprich mich gerne an (christian.setzwein@setzwein.com), auch dafür gibt es Werkzeuge wie zum Beispiel den AI Design Sprint, um

  • umfassend derzeit bekannte Anwendungsszenarien von Machine Learning zu verstehen.
  • strategisch Use Cases für eigene Einsatzgebiete daraus abzuleiten.
  • ausgewählte Ansätze fokussiert auszuarbeiten (Prototyping) und mit Kollegen und Kunden zu validieren.

Ich wünsche dir weiter viel Freude bei deinem Einstieg in die Welt des Machine Learning. Anregungen und Kommentare sind herzlich willkommen.

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Über Christian Setzwein

Christian Setzwein, Jahrgang 1964, Unternehmer und Manager aus Leidenschaft. Visionär, integrativ, mitreißend. Überzeugter Optimist. Hat sich besonders dem Management von Veränderungen in Unternehmen verschrieben – und lässt sich durch nichts erschüttern. Christian Setzwein ist seit mehr als 25 Jahren im Projektgeschäft erfolgreich. Was ihn bewegt: der Moment, in dem eine Krise zum Aufbruch wird.

2 Kommentare

  1. Avatar-FotoInken Petersen

    Hallo Christian, danke für den Artikel und die Links. Ich denke auch, dass Machine Learning der Schlüssel für disruptive Innovationen sein wird und bin schon sehr gespannt, was in den nächsten Jahren da passiert. Mich beschäftigt persönlich die Frage „Will AI create a fairer world or will it make the world even unfairer?“. Die Beispiele mit den durch AI verstärkten Diskrimierungen z.B. im Recruiting fand ich eher erschreckend.


  2. Avatar-FotoChristian Setzwein Artikelautor

    Hallo Inken, ich glaube die Frage „Wird die Welt durch die AI Technologie besser?“ ist enorm wichtig. Denn ich bin mir sicher, dass die Technik selbst da neutral ist: so können die Menschen AI Technologie wie auch die Technologie „Feuer“ zum Guten („Haus wärmen“) oder zum Schlechten („Haus abbrennen“) nutzen. Deshalb ist es wichtig, die Verantwortung für das, was ein Algorithmus macht, immer einem Menschen zuzuordnen. In deinem Beispiel kann der Algorithmus nur das liefern, womit die Menschen ihn trainiert haben (und das war sehr schlecht). Sicher werden noch viele politische und rechtliche Regelungen notwendig sein. In jedem Fall arbeite ich dafür, dass möglichst viele Menschen möglichst gut über die Technologie Machine Learning Bescheid wissen. Dann können wir sie auf der guten Seite der Macht einsetzen.


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