Klar weiß ich, wie schwierig es ist eine gute Bewerbung zu schreiben und wie viele Sachen man sich überlegt, bevor man dann letztendlich seine Bewerbung durch den (meist digitalen) Briefschlitz schiebt. Aber leider sehe ich auch mit jeder Stelle die ich selber ausschreibe, was man so für Bewerbungen auf den Tisch bekommt. Und von den total fachfremdem Bewerbern rede ich jetzt mal gar nicht. Ich rede von gut ausgebildeten Kolleginnen und Kollegen mit Universitätsabschluss.
Also dachte ich, ich teile meine Empfehlungen einfach mal mit euch. Der Extrakt aus mehreren Jahren Rekrutierung von Produktmanagern und Interaktionsdesignern für verschiedene Arbeitgeber sozusagen.
Hier ein paar Do´s and Dont´s und meine Kernfragen, wenn ich Bewerbungen vorsortiere:
- Denkt der Bewerber darüber nach, ob mir als Empfänger der Bewerbung der Umgang mit seiner Bewerbung leicht fällt? Von Produktmanagern und Interaktionsdesignern erwarte ich, dass sie ihre Arbeit immer an der Zielgruppe ausrichten. Und wenn das jemand im Blut hat, dann heißt die Lebenslauf-Datei nicht „CV.pdf“. Denn was macht man mit den Bewerbungsdateien im Unternehmen? Man kopiert sie in einen Ordner und geht dann alle Kandidaten einmal durch. Und im Zweifel (so neulich erst wieder passiert) hat man da dann von 65 Bewerbungen 28 mal „CV.pdf“.
Also: Der Dateiname sollte euren Namen und idealerweise die Stellenbezeichnung enthalten. Der Firmenname ist aus eurer Sicht zwar sinnvoll hilft aber dem Empfänger nicht. Denn der kennt den Unternehmensnamen ja. - Man verschickt nur Dokumente, die jeder an seinem Rechner auch ohne teure Software öffnen kann. Also eher PDFs und JPGs als Photoshopfiles. Auch keine Word-Dokumente. Eigentlich denkt man, das versteht sich im Jahr 2014 von selbst. Aber ich sag nur… 15 von den oben genannten 65 Bewerbern wussten das nicht.
- Ich finde ein Anschreiben muss sein. Gerne schon in der Mail oder auch als PDF. Und es sollte die Fragen beantworten: Warum bin ich für diese Stelle geeignet (hier bitte nicht den Lebenslauf erneut wiedergeben), warum finde ich die Firma/Stelle spannend und, wenn gewünscht, mögliches Eintrittsdatum sowie Gehaltsvorstellung. Und mein ganz persönliches Ding: wenn es mehr als eine Seite ist, lese ich das Anschreiben nicht mehr. Also werdet nicht zu episch!
- Die Gehaltsvorstellung… Tja, leidiges Thema. Wenn ich die Stellenanzeige selber schreiben darf, was im Auftrag von Kunden nicht immer möglich ist, frage ich gar nicht nach dem Gehalt. Ich finde, über Geld redet man nicht vor dem zweiten „Date“!
Aber manchmal wird diese Frage eben gestellt. Dann bitte einfach einen Wert reinschreiben. Nicht selten lese ich sowas wie 30.000-60.000 €. Das ist ja dann auch für’n Ar***. Und ich habe es noch nicht erlebt, dass ein vielversprechender Kandidat wegen der Gehaltsvorstellung aussortiert wird. Also: nur Mut! - Denkt der Bewerber effizient? Der effiziente Bewerber schickt heute einen Link zur eigenen Webseite mit Lebenslauf, zum Profil eines Sozialen Netzwerks oder ein PDF mit dem Export seines Lebenslaufs aus eben selbigem. Das finde ich total ok.
Wenn die Bewerbung aber lediglich aus dem Satz: „Hi Petra, please find my detailed CV on LinkedIn, looking forward….“ Dann denke ich immer „fauler Hund“. Also bitte: ein bisschen mehr Information und Mühe ;-) - Mehr Information? Eine Arbeitsprobe? Bitte, bitte schickt ein paar Sachen, die erahnen lassen, wie ihr arbeitet. Toll finde ich immer ein PDF mit 5-6 Seiten (im Folien-Style) zu euren letzten Projekten, coolen Feature-Ideen etc. Da dürfen auch Fotos von eurem letzten Produktworkshop oder eurer produktiven Brainstorming-Session drin sein. Schickt Wireframes, Handskizzen, was auch immer. Auch wenn es ein privates Projekt war – glaubt mir, die Genies sieht man auch wenn sie Skizzen von einem privaten Skateboardrampen-Projekt schicken. (alles schon passiert!)
- Hobbies. Klingt angestaubt, finde ich aber wichtig. Überlegt, wie ihr die Dinge, für die ihr brennt in der Bewerbung unterbringen könnt. Egal was es ist… passion is power!
- Achtet der Bewerber auf Details? Details sind das, was unsere Produkte am Ende zur wirklich grandiosen Lösungen machen. Also achte ich auch auf Kleinigkeiten. Gestaltete Anschreiben zum Beispiel (gibt es einen Briefkopf oder eine Fußzeile mit der Adresse des Kandidaten, wie ist sie gestaltet?). Und ich achte darauf, dass wenn der Bewerber eine seiner Dateien sehr schön designt hat, sich das dann aber nicht auf alle Dateien auswirkt. Ich finde, wenn CI dann schon richtig!
- Zeugnisse, Referenzen, weitere Dokumente. Ich bin ein Freund der minimalistischen Bewerbung. Also Anschreiben und CV und der nette Hinweis, dass man gerne weiter Informationen zur Verfügung stellt wie gewünscht. War es in der Stellenanzeige gefordert müssen Zeugnisse natürlich dabei sein. Dann aber gerne in einer Datei und nicht 14 einzelne Dateien für jedes Zeugnis und jedes Zertifikat. Wie man PDFs zusammenfügt sollte man bei Google in Erfahrung bringen können.
- Und zu guter Letzt: Was für Berufe Eltern und Geschwister haben und auf welchen Schulen ihr gewesen seit ist ab dem Erreichen des vollständigen 20. Lebensjahres irrelevant für eure Bewerbung. Ich sag nur 32 von 65 Bewerber hätten diesen Tipp gerne beherzigen können…
Unterm Strich könnte man also auch hier sagen: versetzt euch in eure Nutzer (den neuen Chef, die neuen Kollegen, die Frau, die in der Personalabteilungen die Bewerbungen vorsortiert), befasst euch ein wenig mit dem Unternehmen und schickt dann eine Bewerbung, die die „Nutzerbedürfnisse“ erfüllt. Dann kann fast nichts mehr schief gehen!
… und alles zusammen also Zeugnisse, Anschreiben, Lebenslauf und 5-6 Arbeitsproben in einer druckfähigen PDF mit max. 3MB ;-)
Sehr schöner Beitrag. Das sind genau die Kernpunkte, über die ich mir bei meiner Bewerbung auch Gedanken gemacht hatte. Da sollte man schon mit einer gewissen Portion Perfektionismus rangehen und erstmal recherchieren, was heutzutage in so eine Bewerbung reingehört. Wenn da tatsächlich manche Leute noch die Berufe ihrer Eltern reinschreiben, haben die sich in meinen Augen definitiv zu wenig Gedanken über den Aufbau einer Bewerbung gemacht… Rechtschreibfehler gehen in meinen Augen auch gar nicht – so eine Bewerbung schreibt man ja nicht mal eben so. Da lese ich jeden Satz 5x.
Habe gestern auf dem UXCampEurope noch einen guten Tipp mitbekommen, der besonders wichtig für Designer ist: Keinen schwarzen, dunklen oder stark farbigen Untergrund für das Portfolio oder andere Unterlagen nutzen! Auch wenn es noch so schick aussieht. Lieber gleich einen weißen Untergrund nehmen. Viele Chefs und Personaler drucken die Unterlage aus (oder bekommen sie ausgedruckt) und wenn man erstmal die Tonerkartuschen des Unternehmens mit seiner Bewerbung im Alleingang geleert hat, hat man gleich einen schlechten Stand.
Auch noch ein schöner, ergänzender Artikel fürs Bewerbungsgespräch: Get This Job. Please.
„Here’s a secret: the interviewer wants you to get the job too. They’ve probably been covering for the job they need to fill on top of their regular job. And now they’re devoting hours to meeting strangers. They really want you to be the right person, so they can get back to work. With you on their team.“
Sinnvolle Hinweise. Ein paar Anmerkungen:
– Anschreiben: Ich würde in die Mail immer nur ein ganz kurzes Anschreiben setzen, das im Wesentlichen die Anlagen erläutert und (schon im Betreff) klar macht, auf welche Stelle man sich bewirbt. Das komplette Anschreiben lieber in den Anhang. Warum? Viele Bewerbungen nehmen einen längeren Weg durch das Unternehmen – Weiterleitungen ohne Übernahme des Ursprungsmailtextes, Einpflegen in interne Systeme oder auch Ausdruck für die Fachabteilung. Bei all diesen Schritten geht ein Anschreiben, das nur in der Begleitmail stand, schnell verloren.
– Gehaltsvorstellung: Finde ich schon grundsätzlich hilfreich. Viele Stellen, gerade im Bereich Online/Startups etc., sind in ihrer Beschreibung nicht immer klar zuzuordnen, was das gewünschte/vorgestellte/mögliche Level an Skills, Erfahrung, Hierarchie und somit eben auch Gehalt betrifft. Soll heißen: Ein und dieselbe Stellenbeschreibung kann ohne weiteres, um die genannten Zahlen aufzugreifen, für eine 30k- oder eine 60k-Vakanz verfasst werden. Wenn dann erst im persönlichen Gespräch über Gehälter gesprochen wird, haben am Ende möglicherweise beide Seiten ihre Zeit verschwendet. Aus eben dem Grund ergibt natürlich eine Spanne wie oben genannt, überhaupt keinen Sinn. Mal davon abgesehen, dass ein Unternehmen wohl fast nie mehr als die unterste in einer Spanne genannte Summe anbieten würde. Es gibt andere Formulierungen, um Gehaltsvorstellungen „weich“ zu transportieren und sie vom „entweder so viel oder tschüss“ zu lösen.
(Ausnahmen bestätigen die Regel: Bei einem echten Seiteneinstieg oder bei einer noch insgesamt sehr definitionsbedürftigen Tätigkeit kann man die Gehaltsvorstellung auch erst mal weglassen; aber dann wird wohl auch der Rest der Bewerbung etwas anders ausfallen.)
Hallo Frau Wille,
Thema Arbeitsproben:
Das ist ja gut und schön, aber die rechtliche Situation bei z.B. Screenshots im Hinblick auf Markenrecht, Urheberrecht etc. (private Projekte ausgenommen) ist für mich nicht überschaubar.
Bei Fotos von Workshops geht es schon wieder los mit dem „Recht am eigenen Bild“ (wenn andere Teilnehmer abgelichtet sind).
Vielleicht könnten Sie das noch erläutern?
VG
MF
Sehr erfrischend! Meist findet man auf der Recherche nach Bewerbungstipps nur die 08/15-Standardtipps. Hier stolpert man über Denkanstöße, die nicht nur Produktmanager und IxD betreffen, sondern jedem, der in der Bewerbungsphase ist, als Empfehlungen dienen.
Im Grunde ist sicherlich jeder bemüht, seine Bewerbung so gut wie nur irgend möglich zu erstellen. Trotzdem passieren unbeabsichtigte Fauxpas, denn wie mit Bewerbungen und Bewerbungsdateien im Unternehmen umgegangen wird, können sich viele nicht vorstellen. Wie auch, wenn man kein Personaler ist.
Daher braucht es einfach mal solche Info-Beiträge wie dieser hier – über eine Bewerbung, die die „Nutzerbedürfnisse“ erfüllt :-)
LG, Emma