Konferenz-Rückblick – Mind the Product 2017 in London

Die sechste und meine erste Mind the Product fand am 8. September 2017 in London im Barbican Centre statt und zog mit über 1.500 Produkt-Begeisterten, aus 52 Ländern wieder jede Menge Besucher in ihren Bann. Am Vortag gab es außerdem ein breites Spektrum an Experten-Workshops um seine Product-Skills zu verbessern und um in kleiner Atmosphäre Produktmanager rund um den Globus kennen zu lernen und sich auszutauschen.

Workshops und die Konferenz lassen sich getrennt voneinander besuchen, wenn man aber schon extra nach London anreist, lohnt es sich, gleich beides zu besuchen. Dies erhöhte gegen Ende sogar die Chance, doch noch einen Platz für die ausverkaufte Konferenz zu ergattern.

Martin Eriksson, Co-Founder der Konferenz, eröffnete diese in professioneller und total entspannter Art und Weise, unter dem Credo:

„It’s about the people! …not just the product!“

Gefallen hat mir in seiner Eröffnung aber vor allem der Satz:

„Product Management isn’t about managing products it’s about managing people, customers, stakeholders, strategy and teams.“

Damit versucht uns Martin daran zu erinnern, dass sich der Job als Produktmanager vor allem um Menschen dreht und das wir nur als Team gute Produkte bauen können. Wir alle sind Produktmanager und es ist unser aller Produkt an dem wir gemeinsam arbeiten oder wie es auf Deutsch so schön heißt: „Wir sitzen alle im selben Boot!“.

Redner

Im folgenden, in chronologischer Reihenfolge, meine Zusammenfassung und Erkenntnisse zu den einzelnen Rednern.

 


Jake Knapp (Autor von „Sprint“ und ehemaliger Design Partner von Google Ventures)

Jake eröffnete als erster Redner mit seinem High-Five-Trick die Konferenz und lies das gesamte Publikum aufstehen und mittels High-Five wach werden. Der simple Trick, um immer die Handfläche des anderen zu treffen ist es, auf den Elbogen des Gegenübers zu schauen – „watch the elbow“. Auf jeden Fall, ein gelungener Einstieg in seine Themen rund um Marketing und Design.

Während seiner Zeit bei Microsoft Encarta und dem Kampf gegen Wikipedia (den Gewinner kennen alle) scheiterte die Weiterentwicklung von Encarta 2004 gar nicht am Release-Termin der Software, sondern mehr an der Schachtel in der das Ganze verpackt und im Laden verkauft werden sollte. Wie so oft wurde das Marketing viel zu spät in die Entwicklung miteinbezogen. Daher ermahnte Jake nochmal alle daran, wie wichtig es ist, alle Beteiligten frühzeitig in den Produktentwicklungsprozess zu holen.

Dies war auch die Überleitung zu seinem Hauptthema, dem „Design Sprint“, welchen er bei seiner Zeit bei Google entwickelt hat. Das Konzept des fünftägigen Design Sprints, sei an dieser Stelle kurz erklärt. Zu allererst ist es wichtig, alle Leute für eine Woche in einem Raum als Team zusammen zu bringen. Angefangen vom Entscheider, Vertrieb, Entwickler, Designer, Produkt bis zum zuvor angesprochenen Marketing.

  • Montag – Das Poblem auf den Punkt bringen
  • Dienstag – Mögliche Lösungen ausarbeiten
  • Mittwoch – Sich auf Lösungen festlegen
  • Donnerstag – Prototype erstellen (mocken)
  • Freitag – Testen

Anhand eines Lieferroboters für eine Hotelkette wurde dann ein Design Sprint von ihm vorgestellt. Der Hotelbetreiber  Savioke wollte hierbei, dass der Lieferroboter keine negativen Impressionen beim Hotelgast hinterlässt.

  • Montag – Es wurden alle Szenarien der Interkation von Hotelgast und Roboter eingesammelt
  • Dienstag – Ideen für die Interaktion mit dem Roboter wurden skizziert
  • Mittwoch – Man legte sich auf drei Ideen fest:
    • Der Roboter spielt Spiele mit dem Gast (bspw. Verstecken)
    • Der Roboter bekommt ein Gesicht
    • Der Roboter tanzt
  • Donnerstag – Der Roboter bekam ein iPad mini als Gesicht und es wurde an Tanzeinlagen gearbeitet
  • Freitag – Testen mit dem Hotelgast. Hierbei kam man zu der Erkenntnis, keiner will mit dem Roboter spielen, aber das smarte Lächeln und ein Tänzchen des Roboters nach der Übergabe führten zu positvem Feedback.

Mit „Focus on one key moment“ und „Take big risks“ statt „Focus in everything at once“ und „Play it safe“ beendete Jake seinen Auftritt.


Blade Kotelly (Experience Strategy Lead bei Sonos)

Um das Herz von Innovationen ging es im Vortrag von Blade „Experience-Centerlining: The Heart Of Innovation“ und ging hier durch seine 10 Schritte des Design-Prozess, welche er in drei Cluster packte:

Research

  • Das Problem verstehen und die Anforderungen identifizieren – eine Idee die vor Jahren noch schlecht war, kann heute gut sein
  • Informationen sammeln – User Research, User-Tests
  • Stakeholder-Analyse – „Alle“ Stakeholder verstehen, „… a stakeholder of a gun is both the person shooting the gun, and the person being shot.“
  • Operativer Research – was sind die limitierenden Faktoren wie Zeit, Budget und Ressourcen
  • Sicherheits-/Risikoanalyse
  • Erstellen der Spezifikation – den Mittelweg finden zwischen zu stark und zu wage zu spezifizieren

Design

  • Creative Design
  • Konzeptionelles Design
  • Prototyping

Test

  •  Verifizierung – Testen von UI/UX um verbesseren zu können

 


Teresa Torres (Product Discovery Coach)

Teresa folgte nach der ersten Pause und hatte etwas mit der Präsentation „Critical Thinking for Product Teams“ zu kämpfen, welche sich nicht mehr von ihr steuern ließ. Davon ließ sie sich aber nicht aufhalten und mahnte dazu, sich nicht nur auf gute Ideen zu stürzen und den Rest dabei zu vernachlässigen.

“When we fall in love with our ideas, we don’t consider enough ideas. The more ideas we consider, the better ideas we get to.”

Dabei führte sie durch ihren „Opportunity solution tree“, welcher den gesamten Team helfen soll, durch die unterschiedlichen Meinungen zu navigieren, ein gemeinsames Verständnis zu finden und kommunizieren lässt, wie sie ihr Ziel erreichen wollen.

  • Start with a clear desired outcome.
  • Map out the opportunity space, play with structure.
  • Choose a target opportunity by prioritising row by row.
  • Limit idea generation to your target opportunity.
  • Run experiments to choose the best idea.

Anstatt also sich den Kopf über die beste Idee zu zerbrechen, sollte man argumentieren, welches Problem ist wichtiger.

 


Jane Austin (Director of Design and UX bei Moo)

Jane führte anhand einer CMS-Implementierung für den The Telegraph die Vorteile von Atomic Design und cross-funktionaler Teams ins Feld. Jedes Team braucht einen Mix aus UI/UX und Entwicklung und vor allem einen Entscheider! Am meisten gefiel mir in ihrem Vortrag aber die Liste der ganzen „Don’ts“, die ich hier gerne teilen möchte und die der eine oder andere sicherlich auch kennt:

 

Design in jeden Prozessschritt mit einzubringen, soll das Team dazu befähigen zu:

Build the right thing

Das Team muss wissen, welches Problem tatsächlich behoben werden soll, ist dies der Fall, wird es als klares Statement für alle festgehalten.

Build the thing right

Mittels aufeinander aufbauenden Researchs soll entschieden werden, wie die Details umzusetzen sind und um dem Team zu vermitteln was und warum, wie gebaut wird.

Die folgende Grafik veranschaulicht diesen Double Demand Ansatz:

 

Scott Berkun (Autor von The Myths of Innovation und The Dance of the Possible)

Scott erklärte, wie wichtig es für ihn sei, die Vergangenheit zu erkunden um dabei zu verstehen, wie es zu Entwicklungen & Ideen kam. Hieraus kann man lernen neue, geniale Produkte zu kreieren. In seiner Rede führte er hierbei durch seine drei Schlüssel-Lektionen (key lessons).

Lektion 1: Alle Ideen basieren auf einer anderen Idee

  • Wir sollen damit anfangen, die Geschichte eines Problems zu studieren um neue Ideen zur Lösung zu finden. Zwei seiner Beispiele waren der Eiffel Turm in Paris, welcher inspiriert wurde vom Latting Observatory in New York und Da Vinci’s Vitruvianischer Mensch, welcher vom römischen architekten Vitruv inspiriert wurde.

Lektion 2: Geniale Ideen wirken oft verrückt

  • Alle Meisterwerke begannen mit einem Experiment und basierendem auf dem Beispiel mit dem Eiffel Turm, wäre dieser wohl nie gebaut worden, wäre man den ganzen Kritikern gefolgt.

Lektion 3: Kreatives Denken wurde uns in die Wiege gelegt

  • Wir sind darauf trainiert, eine Lösung für jedes Problem zu finden und wir brauchen dazu auch keine besondern Tools oder Methoden um kreativ zu werden.

Produktmanager brauchen aber ihren sicheren Hafen um kreativ arbeiten zu können, ohne die Angst haben zu müssen, nicht scheitern zu dürfen.

 


Amber Case (Autor von Calm Technology & Designing Products with Sound, Fellow at Harvard University und Visiting Researcher at MIT)

In Ambers Beitrag ging es um „Calm Technology, Designing for the Next Generation of Devices“ und sie brachte dabei eine Studie von Cisco ins Rennen die 2020 von 50 Milliarden Geräten ausgeht, die wohlgemerkt, allesamt online sein werden. In Ihrem Beitrag „Dystopian Kitchen of the Future“ ging es dann um die verückt gewordene Küche, die mit all ihren vernetzten Geräten, verschiedenen Programmiersprachen, Life-Cycles und Sicherheitsproblemen das smarte Leben zur Hölle werden lässt. Angefangen über die Saftpresse mit dem Nespresso-Prinzip (Juicrero) bis zum Bluetooth-Salzstreuer. Was wir also brauchen, sei „calm technology“ und brachte dabei das Beispiel der Wettervorhersage mittels Lichtfarben in den eigenen vier Wänden. Wird es regnen, ist das Licht blau, ist Sonnenschein angesagt, so leuchtet der Raum im strahlenden Gelb.

Technik sollte daher:

Machines shouldn’t act like humans

Humans shouldn’t act like machines.


Sarah B. Nelson (Program Architect bei IBM Studios)

In Sarahs Beitrag „a place of our own – creative spaces that work“ ging es um den kreativen Arbeitsplatz, welche sie vornehmlich bei und für IBM geschaffen hat. Dabei hob sie hervor, dass der Arbeitsplatz einen starken Effekt auf die Arbeit der Mitarbeiter hat und dieser auch massiv zum Kulturwandel beitragen kann. Ihr fünf Ratschläge teile ich gerne im Original:

  1. Say Yes! (but within fire safety guidelines and HR rules)
  2. Prototype
  3. Be Opportunistic
  4. Be Scrappy
  5. Ask Forgiveness

 


Josh Clark (Founder & Principal bei Big Medium)

Im Beitrag von Josh Clark ging es um das Designen von Produkten in Zeiten von Big Data, selbstlernenden Maschinen und Algorithmen. Er wies darauf hin, dass diese Systeme nur das wissen, was wir ihnen beibringen – getreu dem Motto „shit in, shit out“ und untermalte dies mit einem Beispiel von automatischer Foto-Erkennung, die bei asiatischer Herkunft auf geschlossene Augen tippte und das Foto somit ablehnte. Maschinen werden immer smarter, aber wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass wir mit dem Ungewissen rechnen müssen und menschliches Feedback brauchen, wenn Maschinen nicht mehr weiter wissen. Zum Schluss müssen wir die Benutzer involvieren und sie darüber abholen, wie mit ihren Daten umgegangen wird – with great power of data comes great data responsibility or lack of it.

 


Lea Hickman (Partner bei Silicon Valley Product Group)

Leas Thema „Transforming to a Product Culture“ startete mit ihren Regeln für Engagement „Establish early, revist often“, welche dem Produktmanager auftragen, sich früh über die Ziele für das Produkt und die Organisation einzusetzen. Dazu sollen Produkt und Business Ziele Hand in Hand gehen, quasi eine Partnschaft eingehen, um den Wechsel von Ausgaben zum Ergebnis zu erreichen, in ihren Worten:

“Don’t have a conversation about what you want me to do. Have a conversation with me about what you want to achieve.”

Ebenso wichtig, Vertrauen durch Transparenz:

„Not just good news, establish trust“

Der Produktmanager ist das Gesicht des Produkts und ist verantwortlich für Erfolg und Niederlage und ohne diese Verantwortung führt das ganze zur Anarchie. Aus diesem Grund, sollen Produktmanager diese Verantwortung auch einfordern um so die Kontrolle über ihr Produkt zu erlangen.

 


Barry O’Reilly (Autor von Lean Enterprise und Gründer des ExecCamp)

Den Abschluss bildete Barry O’Reilly, der die Konferenz somit genauso erfolgreich enden, wie Jake Knapp beginnen lies. Sein Thema „Lessons deploying Lean Enterprise at scale“ und brachte es mit diesem Zitat auf den Punkt:

“Right now, your company has 21st century internet-enabled business processes, mid-20th century management processes, all built atop 19th century management principles.” — Gary Hamel

Er startete mit dem Vorschlag, den Menschen zu fördern, da das Ziel jedes Unternehmens sein sollte, normale Menschen zu Außerordentlichem zu ermächtigen. Große Veränderungen fangen klein an und eine dieser Veränderungen ist „zuzuhören“. So beende er Meetings fünf Minuten früher und fragt alle Teilnehmer, ob sie glauben, mit diesem Meeting weitergekommen zu sein – und hält dann den Mund um zuzuhören! Dieser Wandel beginnt nicht, indem man andere ändert, sondern bei sich anfängt.

 

Fazit

In Summe überzeugten alle Redner mit Ihren eloquenten und sehr gut vorbereiteten Beiträgen und man konnte einen starken Fokus auf Design in dieser Konferenz erkennen. Meine persönlichen Favoriten waren Jake Knapp, Jane Austin und Barry O’Reilly. Gemeinsam zeichnen sie das Bild von cross-funktionalen Teams, design-driven, den Nutzer involvierend/fragend und dem Team-Gedanken der alle Stakeholder (bring the CEO) abdeckt.

Zum Ende der Konferenz wurde auch nochmals auf den Product Tank verwiesen, um den Austausch zwischen Produktmanagern zu fördern. Nicht vergessen darf man die geniale After Party im „The Fable“, die ideale Plattform zum Netzwerken.

Die genialen Sketchnotes wurden im übrigen live auf der Konferenz von Art-Work (innovation-arts.com) erstellt!

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Über Michael Niedermayr

Michael Niedermayr ist Product Owner bei der Star Finanz in Hamburg und verantwortet seit Mai letzten Jahres die Apps der Sparkassen "Sparkasse" und "Sparkasse+". Mit der Sparkassen-Finanzgruppe und der dadurch großen Anzahl an Stakeholdern, liegt Michaels Herausforderung darin, den Benutzer der S-Apps immer im Fokus zu haben. Davor war er für das Otto-Startup Yapital tätig und hat sich um die Business-Kunden, des mittlerweile eingestellten Dienstes, zum Bezahlen und Geld senden auf allen Kanälen gekümmert. Umso größer ist seine Freude, dass mit Kwitt wieder ein deutscher Dienst versucht PayPal Paroli zu bieten.

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