In dieser Artikelreihe führen wir euch durch jeden Tag des aus unserer Sicht idealen Product Design Sprints. Mit einer Reihe von schlanken UX Methoden zeigen wir Euch, wie ihr innerhalb von fünf Tagen in einem interdisziplinären Team gelungene Konzepte nah an den Bedürfnissen und Wünschen der Nutzer gestalten könnt. Nachdem wir am ersten Tag einen visionären Rahmen für unser Produkterlebnis geschaffen haben mittels einer Product Experience Map, steht der zweite Tag voll und ganz im Zeichen des Storyboardings, um die in der Product Experience Map verdichteten Anforderungen zu visualisieren und greifbar zu machen. Mittels des sogenannten Story-driven Design wollen wir euch heute zeigen, wie ihr schnell und nutzerzentriert erfolgreiche innovative und emotionale Konzepte entwickeln könnt.
Was ist an dem Story-driven Design so besonders?
Story-driven Design ist eine Technik, die Produktkonzepte aus der Sicht des Nutzers und seinem Kontext spinnt. Man kann es mit einem Theaterstück vergleichen oder einer Filmszene, die man über einen Sketch ähnlich einem Storyboard wiedergibt. Richtig angewendet schafft so ein Storyboard es, die Lage bzw. Rolle des Nutzers so zu transportieren, dass die Anforderungen an das noch zu erschaffende Produkt den Betrachter regelrecht ins Auge springen. Das story-driven Design wird in der heutigen Produktentwicklung immer noch unterschätzt – sowohl, was die Schnelligkeit in der Ideenfindung, als auch die Qualität der Ergebnisse angeht. Es ist eine Technik, die, wenn sie gelungen angewendet wird, sowohl erfolgreiche visionäre als auch sehr emotionale Produkt- und Markenkonzepte hervorbringen kann. Story-driven Design skizziert Ideen(-räume), die stark mit den Nutzerbedürfnissen verquickt sind und sich damit leicht auf den Markt etablieren lassen.
Die Visualisierung steht im Vordergrund – kreative Umsetzung eines Storyboards
Um eine mitreißende Story zu skizzieren gibt es verschiedene Techniken, die abhängig von dem Kontext, dem Produkt und der Teamkonstellation angewendet werden können.
Erfahrene Designer nutzen den Comic Strip, um ein Nutzerszenario zu visualisieren. Jedoch können auch Team-Mitglieder mit weniger Erfahrung ein Storyboard erstellen. Für die Visualisierung braucht ihr am Besten eine freie Wand, eine große Papierrolle und eine Handvoll Stifte in unterschiedlichen Größen.
Unabhängig von der künstlerischen Begabung: Im Vordergrund steht beim Story-driven Design, dass das Team beginnt, Situationen und Konzeptideen frühzeitig zu visualisieren. Dabei ist es weniger von Bedeutung, wie ausgereift eine Zeichnung ist. Eine Storyboard kann auch mit schemenhaften Darstellungsformen oder Symbolen den Kern einer Erzählung gut wiedergeben. Auch können ausgedruckte Fotos genutzt werden. Kreatives Denken steht im Mittelpunkt! Ziel ist es, dass die Visualisierung das Team auf der schöpferischen Ebene anregt und damit Lösungsräume sichtbar werden.
Für eine kreative Umsetzung eines Storyboards kann man sich Visualisierungsansätzen aus der Visual Facilitation bedienen. Der Vorteil dieser Technik ist, dass man sich sehr intuitiv einem Thema nähern kann und eine Symbolsprache eingesetzt wird, um Hauptmerkmale sowie der Emotionen des Nutzers wiederzugeben. Dabei werden Nutzungskontexte und Nutzungserlebnisse anhand von kleinen Szenarien in einem Posterformat visualisiert. Der Visualisierung der Storyline sind vorerst keine Grenzen gesetzt, die Form der Visualisierung von der eigenen Interpretation abhängig. Man kann sowohl ein schrittweises Vorgehen einer Situation visualisieren, als auch sehr visionär über Symbole und Werteschemen die Geschichte wiedergeben.
Wer in der freien Visualisierungsform weniger trainiert ist, kann auch ein Storyboard vorbereiten und in Sektionen unterteilen. Dies ist dann besonders gut geeignet, wenn man gemeinschaftlich mit Stakeholdern ein Nutzerszenario entwickeln möchte. Dabei wird auf einer weißen Wand oder Whiteboard eine Storyline gebildet, die dann von dem Team Schritt für Schritt befüllt wird. Über Post-ITs können die einzelnen Stationen oder Schritte zu dem Szenario visuell und schriftlich wiedergegeben werden. Dabei ist es wichtig, dass die einzelnen Stationen der Geschichte vor allem das Verhalten und die Motivationen des Nutzers wiedergeben. Das kann man zum Beispiel mittels des Thinking und Feeling-Prinzips machen, das man auch von der Empathy Map kennt.
Eine wirklich gelungene Inspirationsquelle für die Vorbereitung einer Storyline findet ihr auch im Blog von Designing CX, der sich intensiv mit dem Thema Customer Experience Mapping befasst und sich dort mit verschiedenen Visualisierungstechniken beschäftigt. Weitere Links zu diesem Thema haben wir am Ende dieses Artikels aufgelistet.
Story-driven Innovation – wie gelange ich zu meinem Produktkonzept?
Unabhängig davon, welche Visualisierungstechnik(en) ihr wählt: Die Grundlage des Story-driven Design sind empathische Modelle, die den Nutzer und seine Bedürfnisse einfangen. Die Auseinandersetzung mit dem Nutzer und seinen Bedürfnissen muss im jeden Fall zuvor durchlaufen werden, bevor man sich einer konkreten Ideenfindung und Visualisierung widmen sollte. Eine gute Methode ist hier an Tag Eins die vorgestellte Product Experience Map. Mit den dort verdichteten Anforderungen an das zu erschaffende Produkterlebnis können Ansätze und Ideen mithilfe eines Storyboards visualisiert werden. Storyboards können dabei in unterschiedlichen Granularitätsstufen für ein Produktkonzept erstellt werden und man kann sich in verschieden Abstufungen dem Lösungsraum nähern:
- Contextual Storyboards – Greifbar machen des Nutzungskontexts und seinen Anforderungen
- Experience-focused Storyboards – Skizzierung von Konzeptideen für das Produkt und dem damit verknüpften Erlebnis
Für interdisziplinäre Storyboard-Sessions können verschiedene Brainstorming-Methoden zum Einsatz kommen. Wichtig ist, dass Brainstormings zeitlich begrenzt werden, damit von den Teammitgliedern nur Ideen storyartig anskizziert, jedoch noch nicht funktionale Bereich im Detail auskonzipiert werden.
In den Storyboard-Sessions können die Teilnehmer frei assoziieren. Man kann ihnen aber auch Vorgaben an die Hand geben, die sie bei der Ideenfindung berücksichtigen sollen. Zum Beispiel kann an jede Gruppe eine Anforderung zum Erlebnis mit dem Produkt oder eine bestimmte Perspektive mitgegeben werden, die sie bei der Ideenfindung berücksichtigen sollen. Ein Beispiel, wie eine solche Anforderung aussehen kann, wäre: „Ich möchte dem Nutzer eine spielerische Heranführung an die Produktvorstellung bieten können“. Mit solchen Vorgaben kann die Kreativität und die Vielfalt in der Ideenfindung gefördert werden, da das Team unterschiedliche Aspekte in Ansätzen berücksichtigen müssen.
Auch kann eine Lösung sowohl in einem digitalen als auch stationären Service übersetzt werden. Dies ist abhängig von dem Spielraum, den wir uns für unser Produktziel gesetzt haben.
Was hat man am Ende des zweiten Tages im Team erreicht?
Am Ende des zweiten Tages werdet ihr eine Variation an guten, visualisierten Konzeptideen haben, die Euch zeigen, wie ihr Euer Produktziel auf unterschiedliche Weise erreichen könnt. Storyboarding im Kontext des Story-driven Design ist damit ein wirklich ausgezeichneter Ansatz für die kreative als auch lösungsorientierte Ideenfindung nah am Nutzer. Mithilfe unterschiedlicher Visualisierungsmethoden können interdisziplinäre Teams ihre Ansätze schnell greifbar machen, diskutieren und gleichzeitig mit den Fragen und Anregungen der anderen Mitglieder weiterentwickeln, was das story-driven Design als Tool auch so schön effizient für die Produktentwicklung macht.
Neben der Effizienz geht der Ansatz, wie ihr bemerkt habt, aber noch einen Schritt weiter. Er stimuliert die User Experience und hilft dabei, inspirierende als auch funktionierende Konzepte nah an den Bedürfnissen und Motivationen der Nutzer zu entwickeln. Es ist eine Methode, die den Plan des Produktes an den Rahmenbedingungen des Nutzers festsetzt und ein Produkt mit einem realen Mehrwert für die Nutzer kreiert. Story-driven Design steht damit für eine nachhaltige Produktentwicklung, die sich lohnt und nicht nur sich auf Äußerlichkeiten beschränkt. Sie geht über ein gutes Produktdesign hinaus. Sie schafft Möglichkeiten, neue konzeptionelle Ansätze zu kreieren mit einem realen Wachstumspotential und einer echten Produktidentität.
Wie geht es weiter?
Auf Basis unserer Ideenansätze für das Produkt definieren wir im nächsten Schritt Design Prinzipien, die uns helfen zu bewerten, welche entstandenen Konzeptideen am Besten zur Marke oder der Produktvision passen. Auf das Thema Design Prinzipien & Prototyping werden wir in unserem nächsten Artikel eingehen.
Wir hoffen, dass wir euch mit diesem Artikel für eure Arbeit inspirieren konnten! Für weitere Details zu dem Thema haben wir euch unten eine interessante Linkliste zusammengestellt. Wie immer sind wir gespannt auf eure Kommentare und Anregungen zu diesem breiten und spannenden Themenfeld.
Links
Anleitungen und Inspirationen zum Experience Mapping inkl. Toolkit findet ihr auf dem Blog von Designing CX: http://designingcx.com/.
Gute Eindrück für Einsteiger über die Basiselemente des Visual Facilitation bietet ein Video von Bigger Picture: http://www.youtube.com/watch?v=S5DJC6LaOCI.
Inspirationen zum Thema Visual Notetaking im Kontext von Visual Facilitation findet ihr auf der Website von Sunni Brown: http://sunnibrown.com/doodlerevolution/
Bücher
Eine gute Grundlage zu Brainstorming-Techniken bietet Euch in diesem Kontext auch das Buch Gamestorming von Dave Gray, Sunni Brown und James Macanufo: http://www.gogamestorm.com/
Wenn ihr mehr Interesse habt, Nutzerszenarien in Form von Comic Strips zu visualisieren, empfehlen wir Euch das Buch Making Comics von Scott McCloud: http://www.scottmccloud.com/makingcomics/
Workshops
Wenn ihr das Story-driven Design für Strategie- und Konzeptentwicklung erlernen und anwenden wollt, bietet Ubercreative hier gezielte Intensiv-Trainings an. Es lohnt sich! : www.ubercreative.me
Alle Artikel aus dieser Serie:
- Einleitung: Die besten Methoden für kompakte 5 Tage Wozu ist ein Product Design Sprint gut, wie bereitet man ihn vor und was folgt in den fünf Sprint-Tagen?
- Tag 1: Experience Mapping Wie soll der Nutzer idealerweise mit dem neuen Produkt umgehen und welches Erlebnis hat er mit dem aktuellen Produkt?
- Tag 2: Storyboarding Die in der Experience Map gesammelten Erkenntnisse über das Nutzererlebnis in konkrete Stories verwandeln und so neue Perspektiven einnehmen.
- Tag 3: Principles & Paper Prototyping Entschieden, welche Konzepte am Besten zu Marke oder Vision passen und diese Konzepte mit Papier-Prototypen schärfen.
- Tag 4: Vision Prototyping Mithilfe von Screen-Flows Konzept und Idee des Produktes vermitteln uns so den Nutzwert testbar machen.
- Tag 5: User Feedback Talks & Bewertung Vision Prototypen mithilfe von Nutzern validieren und das Feedback zusammentragen.
Liebe Schwester, hallo Wiebke,
Euer Artikel erinnert mich an UML und die Use Cases dort. UML gibt es in der Softwareentwicklung schon recht lange. Bei den Anwendungsfällen geht darum, sich Situationen, Abläufe und Interaktionen zu erarbeiten und mit Bubbles, Wolken, Strichen und Strichmännchen zu erarbeiten. Das kommt dem von Euch beschriebenen Weg recht nahe.
Cool wäre es schon, solche Stories oder Anwendungsfälle mit einem Produkt durch professionelle Comic-Zeichner umsetzen zu lassen. Die Augen zu nutzen, um bildhaft das Verständnis zu erhöhen, ist eine gute Idee. Menschen kennzeichnen sich durch unterschiedliche Lerntypen aus. Was dem einen das Lesen eines Textes ist, ist dem nächsten das Hören und dem anderen das gesehene Bild. Warum sollten wir auch nicht mehrere Wege nutzen, um unser Wissen über etwas zu vertiefen? Ein Comic kann zudem helfen, das Lesen seitenlanger und trockener Spezifikationen, interessanter zu machen.
Viele Grüsse
Detlev