produktbezogen im GesprächMichael Lee, Vice President Product & UX bei ZEAL

Mit Lottospielen bringen viele Leute immer noch den Kiosk um die Ecke, die Lottofee im TV und den vergilbten Lottoschein der Großeltern in Verbindung. Dabei hat sich die Lotto-Szene in den vergangenen Jahren zu einer hochfunktionalen E-Commerce-Branche weiterentwickelt, in der Menschen verschiedenster Berufe tagtäglich daran arbeiten, das Lotto-Erlebnis im Netz so innovativ und angenehm wie möglich zu gestalten. Vor allem im Produktmanagement hält die Branche zahlreiche spannende Herausforderungen bereit.

Wir haben Michael Lee, Vice President Product & UX bei ZEAL, dem führenden deutschen Anbieter von Lotterien im Internet, zum Interview getroffen.

Michael, du bist Vice President Product & UX bei ZEAL. Was genau sind deine Aufgaben in dieser Position und was hat dich dorthin gebracht, wo du aktuell stehst?

In meiner Position verantworte ich die Bereiche Produkt, User Experience (UX) und Research mit einem Team aus aktuell insgesamt 18 Mitarbeiter:innen. In meiner Rolle kümmere ich mich hauptsächlich um die strategische Ausrichtung und Gestaltung des Produkt- und Research-Bereichs. Dazu zählt natürlich auch, das Team mit den bestmöglichen Mitarbeiter:innen zu besetzen und sicherzustellen, dass diese über alle benötigten Mittel verfügen, um großartige Produkte zu entwerfen und weiterzuentwickeln. Kurzum: Ich treibe Produkt-Innovationen bei ZEAL voran. Darüber hinaus kümmere ich mich um neue Geschäftsperspektiven, denn auch für diesen Bereich sind Know-How und Erfahrung im Produkt- und Research-Bereich unerlässlich.

Ursprünglich habe ich Wirtschaftsinformatik studiert, der technische Fokus meines Jobs begleitet mich also sozusagen schon von Anfang an. Vor meinem Start bei ZEAL war ich in verschiedenen Positionen beim Hamburger Mobilitätsdienst-Anbieter Wunder Mobility tätig, zuletzt als Chief Product and Technology Officer. Zuvor war ich lange Jahre als Berater für IT- und Produktmanagement tätig und habe mit Wingu sogar mein eigenes Startup gegründet. Die Erfahrung, die ich in jeder dieser beruflichen Stationen gesammelt habe, kann ich nun nutzen, um den Lotteriebereich  zu revolutionieren.

Wusstest du schon immer genau, was du machen möchtest?

Ich wusste schon immer, dass ich etwas Selbstbestimmtes machen möchte und dass ich mir einen Job wünsche, in dem ich die Möglichkeit habe, Themen und Abläufe zu beeinflussen.

Nach dem Abitur hatte ich noch keinen genauen Plan, in welche berufliche Richtung es für mich gehen soll – wahrscheinlich geht das den meisten jungen Menschen zum Start ihres Berufslebens so.

Letztendlich habe ich mich für ein Studium der Wirtschaftsinformatik entschieden, denn eine Leidenschaft für technische Themen hatte ich schon als Schüler. Im Rahmen meines Studiums habe ich dann eine große Passion für die Bereiche Produkt und Engineering entwickelt und das hat sich bis heute nicht geändert.

Was macht dir an deinem Job besonders viel Spaß?

Ich brenne für großartige Produkte. Am meisten Freude habe ich in meinem Job, wenn ich mit meinem Experten-Team großartige Produkte entwickeln kann, die dann später entweder den Alltag ihrer Nutzer:innen erleichtern oder sie gut unterhalten.  Dieser Moment, wenn man selbst erlebt, wie andere Menschen das eigene Produkt nutzen, ohne auch nur zu ahnen, wie viel Komplexität und Aufwand dahintersteckt, ist einfach unbezahlbar.

Darüber hinaus bin ich dankbar, dass ich einen Job habe, in dem es mir möglich ist, Dinge zu bewegen, selbst zu schaffen und zu verändern.

Welche Herausforderungen bringt dein Beruf mit sich?

Eine große Herausforderung in meinem Job blickt mich aus dem Spiegel an. Denn leider hängen Erfolg und Misserfolg eines Produkts oftmals von den Menschen ab, die es entwickeln. Schließlich lassen sich Innovationen nicht einfach so aus dem Ärmel schütteln und auch Kreativität ist tagesformabhängig.

Auch neigt wohl nahezu jeder noch so gute Produktmanager beizeiten dazu, sich von seiner Meinung oder seinen Gefühlen beeinflussen zu lassen, anstatt auf festgelegte Prozesse und Vorgehensweisen des Entwicklungsprozesses zu vertrauen. Das macht den „Faktor Mensch“ gleichzeitig zur größten Bereicherung und zur größten Herausforderung für die Produktentwicklung.

Die größte Herausforderung meines Berufs besteht jedoch seit mehr als 20 Jahren darin, meiner Mutter zu erklären, was ich eigentlich tagtäglich mache und womit ich mein Geld verdiene.

Kommen wir zu einem inhaltlichen Thema, mit dem du dich viel beschäftigst: dem Product Feature Fit. Was genau ist der Product Feature Fit?

Um dies erklären zu können, muss man zunächst den Unterschied zwischen einem Feature und einem Produkt verstehen.

Features sind einzelne Funktionen, die zum Kernanwendungsfall eines Produkts beitragen und das Produkt nützlich bzw. wertvoll machen. Ein Produkt hingegen ist ein Bündel von Funktionen.

Der Product Feature Fit ist das Optimum der Anzahl von Features und ihrer Ausprägungen, mit dem sich ein Use Case bestmöglich umsetzen lässt.

Wie erreicht man den Product Feature Fit?

Um den Product Feature Fit zu finden, muss man den Erfolg von Features messbar machen. Bei ZEAL nutzen wir hierfür das TARS Prinzip.

Dazu definieren wir die mögliche Zielgruppe eines Features (T = Target), messen nach dem Launch des Features die sogenannte Adoption Rate, also den prozentualen Anteil der neuen Nutzer eines Features (A = Adoption Rate) sowie die Retention Rate, also die Kundenbindungsrate (R = Retention Rate) und fragen den Erfolg ab (S = Success).

Welche Herausforderungen bringt der Product Feature Fit mit sich?

Die größte Herausforderung des Product Feature Fit liegt darin, ihn zu bestimmen und immer wieder an die aktuellen Rahmenbedingungen anzupassen.

So müssen bestehende Features auch nach einem erfolgreichen Launch immer wieder infrage gestellt werden, da sich Nutzerbedürfnisse konstant ändern können. Ein Feature, das heute noch für eine hohe Kundenbindung sorgt, kann schon morgen für Frustration auf Nutzerseite sorgen, weil sich Bedürfnisse geändert haben.

Auch kann es vorkommen, dass Produktmanager bestimmte Features zu einem Produkt hinzufügen müssen, um Vergleichbarkeit mit einem Produkt der Konkurrenz herstellen zu können. In diesem Fall rücken die TARS Kriterien in den Hintergrund.

Was ist der Unterschied zwischen Product Market Fit und Product Feature Fit?

Der Product Market Fit, also der Grad, zu dem ein Produkt eine starke Marktnachfrage befriedigt, wird häufig an allgemeinen KPIs, wie beispielsweise Umsatz, Kundenanzahl etc. festgemacht. Allerdings lässt diese keine Bewertung der eigentlichen Produktqualität zu: Nur, weil ein Produkt den Product Market Fit erreicht hat, heißt das leider noch nicht, dass es auch das optimale Set an Features erreicht hat. Denn individuelle Features des Produkts können entweder schlecht performen, komplett fehlen oder das Produkt kann unnötige Features enthalten.

Aus genau diesem Grund ist es im Produktentwicklungsprozess unerlässlich, regelmäßig Features zu iterieren, neue Features zu hinzuzufügen und auch Features zu entfernen. Dazu müssen wir in der Lage sein, die Performance von Features messen zu können.

Die Herausforderung der Produktentwicklung ist es, den Product Feature fit zu finden.

Welche Features hast du in deiner bisherigen Laufbahn abgeschaltet und wieso?

Hier fallen mir spontan iOS Widgets ein – Applikationen für das Smartphone, die bestimmte Funktionen oder Informationen bereitstellen. Vor einiger Zeit haben mein Team und ich uns im Rahmen eines Produktentwicklungsprozesses viel von dieser Einbindung versprochen, denn wir waren fest überzeugt, unseren Kunden mit dieser neuen Interaktionsmöglichkeit einen Mehrwert zu bieten. Leider blieben jedoch sowohl Adoption Rate als auch Retention Rate des Features deutlich hinter unseren Erwartungen zurück.

Im nächsten Schritt haben wir durch User Research versucht, herauszufinden, ob wir den Ansatz verbessern oder unsere Kommunikation des Features optimieren können. Als jedoch klar wurde, dass sich der erwartete Erfolg nach wie vor nicht einstellte, haben wir uns dazu entschlossen, das Feature zu entfernen.

Hast du dich bewusst für die Arbeit in der Glücksspielbranche entschieden?

Ich würde nicht sagen, dass ich proaktiv nach einem Job in der Glücksspielbranche gesucht habe, aber ich habe mich bereitwillig finden lassen.

Die Glückspielbranche ist für Produktmanager ein wahrer Glücksgriff, denn Glückspiel ist in Deutschland ein hochgradig regulierter Markt. Das schafft für alle Mitbewerber die nahezu gleichen Voraussetzungen. In einem solchen Umfeld können ein gutes Produkt und die User Experience einen echten Unterschied machen und einen ungemeinen Wettbewerbsvorteil erschaffen.

Produktmanager in der Glücksspielbranche müssen innerhalb der vorgegebenen Regeln kreativ Denken können, um Wettbewerbern mit genau den gleichen Grundvoraussetzungen immer einen Schritt voraus zu sein. Das macht aus meiner Sicht diese Branche so spannend und zu einer großartigen Herausforderung.

Darüber hinaus gelingt es uns, mit guten Produkten das Leben von vielen Menschen nachhaltig positiv zu verändern. Und damit meine ich nicht nur die großen Gewinne. Kürzlich erst hat uns ein Kunde ein Bild von seiner neuen Küchenmaschine geschickt, die er sich von seinem Gewinn geleistet hat und uns mitgeteilt, wie lange schon der Wunsch nach diesem kleinen Traum bestand.

Wenn es uns gelingt, solche Momente zu erzeugen, macht mich das unheimlich glücklich.

Vielen Dank für das Gespräch!

Solltet ihr weitere Fragen an Michael haben, könnt ihr sie gerne direkt über LinkedIn kontaktieren.

Über Rainer Gibbert

Rainer ist Produktmanager mit großer Begeisterung für gute, Kunden-orientierte und wirtschaftlich erfolgreiche Produkte. Derzeit leitet er bei der Star Finanz GmbH in Hamburg den StarMoney Bereich und verantwortet dort die Produktentwicklung. Zuvor war Rainer u.a. bei REBELLE als Head of Product, bei Fielmann Ventures als Senior Produktmanager sowie bei OTTO als Produktmanager im E-Commerce Innovation Center tätig und leitete das User Insights Team bei der XING AG.

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