Studie zum Klima in Software-ProduktentwicklungsteamsMit Flow, Führung und psychologischer Sicherheit zu mehr Innovation?

Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Teamklima für Innovationen und dem Flow-Erleben? Und welche Rolle spielen Führung, psychologische Sicherheit und Eigeninitiative?

Wie innovativ ist euer Unternehmen? Habt ihr eine Vision, die jede und jeder kennt? Und was hat das miteinander zu tun? Wir sind Laura Aichroth und Stephan Kambor von #teamagile und sind in unterschiedlichen Unternehmen, aber auch in der Forschung und Lehre unterwegs und haben uns vorgenommen, das Bauchgefühl zur Einschätzung von Zusammenarbeit mit Zahlen und Messbarkeit zu stützen. Im Rahmen der Doktorarbeit von Laura untersuchen wir in drei Studien die Zusammenarbeit von Software-Produktentwicklungsteams im Kontext von organisationaler Resilienz, also der Widerstandsfähigkeit und Belastbarkeit. Wir haben die Brille der Organisationspsychologie und der Organisationsentwicklung auf und wollen euch nun einen Einblick in die ersten Ergebnisse geben.

Für alle, die keine Lust zu Lesen haben: Hier geht es direkt zur Befragung.

Um auch morgen noch eine relevante Rolle am Markt zu spielen, sind Unternehmen bestrebt ein Klima herzustellen, dass die Entwicklung von Innovationen begünstigt. Es wurden bereits zahlreiche Studien zu den Voraussetzungen und Zusammenhängen des Klimas für Innovationen durchgeführt (Newman, 2020). Es wurde außerdem bereits mehrfach erforscht, dass ein positiver Zusammenhang zwischen dem arbeitsbezogenen Flow-Erleben von Mitgliedern von Unternehmen und diversen organisatorisch relevanten Ergebnissen besteht (z. B. Demerouti, 2006; Kuo & Ho, 2010). Was ist Flow? Flow wird als ein Geisteszustand beschrieben, der dann eintritt, wenn sich jemand optimal herausgefordert und vollständig in die aktuelle Aktivität eingebunden fühlt. Dieser Zustand wird als fesselnd und erfreulich empfunden (Csikszentmihalyi, 1999). Flow ist somit sowohl für Individuen, als auch für Unternehmen wünschenswert und hilfreich.
Obwohl sowohl das Teamklima für Innovationen und das individuelle Flow-Erleben positive Effekte auf das Unternehmen haben, wurde jedoch kaum zu dem Zusammenhang zwischen den beiden Konstrukten geforscht (Newman, 2020).

Ein Konstrukt ist somit etwas, das das Auge nicht beobachten und der Mensch als solches nicht direkt messen kann, wir können uns leider kein Team anschauen und nach einem Besuch von ein paar Minuten sagen, ob sie innovative Ideen hervorbringen oder nicht, ohne uns nicht näher mit ihnen zu beschäftigen. Wir müssen ein Konstrukt somit operationalisieren, also messbar machen. Das wahrgenommene Teamklima für Innovationen wurde von Anderson & West (1998) bereits von drei Jahrzehnten begonnen zu messen. Um das abstrakte Konstrukt des Teamklimas für Innovationen messbar zu machen, wurden vier Bestandteile, wie Psychologen auch sagen Subskalen entwickelt, welche gemeinsam auf das Teamklima schließen lassen. Das Teamklima für Innovationen besteht aus den vier Subskalen Vision, partizipative Sicherheit, Aufgabenorientierung und Unterstützung für Innovationen.

Was haben wir bislang herausgefunden?

Insgesamt konnte eine Anzahl von 323 analysierbaren Datensätzen erreicht werden. Vielen Dank an alle Probanden der ersten Studie! Für die Zielgruppe der Mitglieder von Software-Produktentwicklungsteams in Deutschland (N = 323) konnte ein signifikant positiver Zusammenhang zwischen dem wahrgenommenen Teamklima für Innovationen und dem individuellen Flow-Erleben festgestellt werden.

Ein wahrgenommenes Teamklima für Innovationen wirkt sich somit förderlich auf das Eintauchen und sich in ein Thema vertiefen können aus. Um als Organisation sowohl das Klima förderlich für Innovationen zu gestalten als auch Flow zu fördern, gilt es aus den folgenden Erkenntnissen passende Maßnahmen abzuleiten. In Bezug auf die vier Dimensionen des Teamklimas ist die Ausprägung der Vision für die Zielgruppe im Vergleich zu den Normtabellen von Anderson & West (1998) relativ gering für unsere Zielgruppe. Vereinfacht haben also vergleichsweise wenige Probanden eine Vision in ihrer Organisation. Die partizipative Sicherheit ist vergleichsweise hoch und die Aufgabenorientierung und die Unterstützung von Innovationen sind mäßig ausgeprägt (Brodbeck et al., 2000). Mitglieder von Software-Produktentwicklungsteams fühlen sich also eher sicher in ihrer Organisation, jedoch könnte die Orientierung zu den erwarteten Aufgaben sowie die unterstützenden Maßnahmen, um Innovationen hervorzubringen stärker vorhanden sein.

Dies bedeutet, dass alle Dimensionen, mit Ausnahme der partizipativen Sicherheit, in Organisationen Maßnahmen benötigen, um das Teamklima für Innovationen selbst zu stärken und dann das Flow-Erleben zu fördern. Wenn ihr somit keine Vision habt, die alle kennen, wäre dies ein erster Ansatzpunkt, der sich grundsätzlich für die Orientierung, aber auch für das wahrgenommene Teamklima für Innovationen positiv auswirkt. Das Ausmaß des Flow-Erlebens ist relativ hoch, somit scheint die Software-Produktentwicklung selbst bzw. die Arbeitsumgebung anregend zu sein. Der Zusammenhang besteht unabhängig vom Geschlecht, es liegen also keine Geschlechtereffekte vor.

Habt ihr Lust auf mehr Informationen? Aktuell finden die letzten Züge der Datenauswertung und ‑analyse statt und ein Journalbeitrag wird geschrieben. Hier werden außerdem weitere, konkretere Empfehlungen für die Praxis gegeben. Einen Forschungsbericht des letzten Jahres und ein Update, sobald es mehr Informationen zur ersten Studie und der Veröffentlichung gibt, findet ihr unter: https://www.teamagile.org/forschung/

Und nun? WE NEED YOU!

Als Ableitung aus der ersten Studie untersuchen wir nun in der zweiten Studie, welche Art der Führung für Software-Produktentwicklungsteams förderlich ist und inwiefern ein Zusammenhang zur psychologischen Sicherheit und dem wahrgenommenen Klima für Eigeninitiative besteht. Gesucht werden Personen, die im Bereich Software-Produktentwicklung tätig sind. Egal in welcher Rolle, egal, ob privat oder beruflich.
Die Teilnahme an der Studie per Umfrage dauert etwa 10 Minuten und ist unter: https://www.soscisurvey.de/D1SS-Study2/ zu finden.

An Umfrage teilnehmen →

Die Umfrage läuft noch bis zum 15. November 2020. Die Studie ist anonym, es muss keine E-Mail-Adresse angeben werden, es gibt kein Gewinnspiel und der Fragebogen ist maximal datensparsam konfiguriert. Wir freuen uns sehr über eure Unterstützung und auf spannende Ergebnisse. Diese werden im Anschluss unter: https://www.teamagile.org/forschung/ frei veröffentlicht. Eine Zusammenfassung wird es auch hier auf produktbezogen geben.

Quellen

  • Anderson, N. R., & West, M. A. (1998). Measuring climate for work group innovation: development and validation of the team climate inventory. Journal of Organizational Behavior, 19(3), 235258.
  • Brodbeck, F. C., Anderson, N., & West, M. A. (2000). Das Teamklima-Inventar: Handanweisung. [The Team Climate Inventory: Manual]. WOP Working Paper No. 2000 / 2.
  • Csikszentmihalyi, M. (1999). If we are so rich, why aren’t we happy? American Psychologist, 54, 821–827.
  • Demerouti, E. (2006). Job characteristics, flow, and performance: The moderating role of conscientiousness. Journal of Occupational Health Psychology, 11(3), 266–280.
  • Kuo, T.H., & Ho, L.A. (2010). Individual difference and job performance: the relationships among personal factors, job characteristics, flow experience, and service quality. Social Behavior and Personality: An International Journal, 38(4), 531552.
  • Newman, A., Round, H., Wang, S., & Mount, M. (2020). Innovation climate: A systematic review of the literature and agenda for future research. Journal of Occupational and Organizational Psychology, 93(1), 73–109.

Über Laura Sophie Aichroth

Wirtschaftspsychologin (M. Sc.), Organisationsentwicklerin, Agile Coach, Research Fellow, Hochschuldozentin & Doktorandin

Ein Kommentar

  1. Laura Krone

    Wir wollen eine Klimaanlage kaufen. Gut zu lesen, dass man fürs Klima noch einige Abläufe optimieren muss. Dies werde ich mir merken.


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