Case StudyKundenzentrierte Produktentwicklung im B2B – mit regelmäßigen Kunden-Workshops zum idealen Produkt

Die Aufgabe des Produktmanagers ist es, ein Produkt zu finden, das wertvoll, nützlich und umsetzbar ist. Was für eine Herausforderung! Wie geht man da am besten vor? Und wie definiere ich “nützlich” aus der B2B-Kundenperspektive insbesondere bei einem komplexen Softwareprodukt? Unseren Ansatz möchte ich mit diesem Artikel teilen.

Wer wir sind

Wir bei der ARZ.dent GmbH sind ein junges Unternehmen mit der Vision, Cloud Computing und Künstliche Intelligenz in die Dentalbranche zu bringen. Alle digitalen Produkte und Anwendungen entwerfen und testen wir gemeinsam mit unserer Zielgruppe: den Inhabern und Mitarbeitern von Zahnarztpraxen. Unser Kernprodukt ist teemer, das erste cloudbasierte und mobile Praxismanagementsystem für den Dentalmarkt. Mit einem Plattformansatz ermöglichen wir die Einbindung anderer Softwarelösungen und wollen so die Ärzteschaft so auf ein neues Digitalisierungs-Level bringen.

Wie binden wir unsere Nutzer ein?

Wir bedienen uns verschiedener Kommunikationswege, um mit unseren B2B-Nutzern regelmäßig im Austausch zu sein. Dazu gehören persönliche Gespräche und Praxisbesuche genauso wie Umfragen oder Workshops.

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Diese Formate nutzen wir, um derzeit aktiv mit etwa 50 Praxen zu kommunizieren. Die Intensität und das Engagement sind dabei individuell und je nach Person sehr unterschiedlich. Ein großer motivierender Faktor ist für viele, dass sie einen Beitrag in der Produktentwicklung leisten und die Softwareentwicklung in Richtung der eigenen Wünsche mit gestalten können.

Das inhaltlich intensivste Format des Austausches sind unsere “teemUp”-Workshops auf die ich in diesem Artikel näher eingehen möchte.

Was sind teemUp Workshops?

Die Workshops sind das Herzstück unserer agilen Produktentwicklung. Regelmäßig kommen dafür Anwender und Nicht-Anwender zusammen, mit denen wir als Produktmanagement ganz konkret neue Features diskutieren.

In Themen-Workshops dürfen die Zahnärzte und Praxismitarbeiter „Wünsch dir was“ spielen, ihre Herausforderungen mit bestimmten administrativen Abläufen in der Praxis schildern und ihre Vorstellungen von einer idealen Lösung dafür äußern. In den letzten zwei Jahren haben wir unter dem Dach der Health AG (der Vorgängergesellschaft der ARZ.dent GmbH) rund 20 solcher Workshops mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten organisiert.

Um die Schnelligkeit in der Produktentwicklung zu gewährleisten, finden die Zusammenkünfte meistens einmal im Quartal statt – häufiger in Hamburg. Ein bis zwei Tage lang treffen wir uns in einer kreativen „New Work“-Umgebung. Die Anzahl der Teilnehmer variiert je nach Thema zwischen 15 und 50 Personen.

Das Produktmanagement und die Kundenbetreuung legen gemeinsam den Themenfokus für den geplanten Workshop und den Ablauf fest, der exemplarisch wie folgt aussehen kann:

    1. Begrüßung
    2. Kennenlernen der Teilnehmer und Warm-up z.B. mit Lego Serious Play „Wie sieht die Zahnarztpraxis der Zukunft aus?“
    3. Kurzer Impulsvortrag zum aktuellen Thema (z.B. Wie erhält künstliche Intelligenz Einzug in die Gesundheitsbranche?)
    4. Workshop 1
    5. Lunch
    6. Workshop 2
    7. Ergebnispräsentationen der Workshops durch die Teilnehmer
    8. Gemeinsames Abendessen

Die komplette Gestaltung des Tages erfolgt gemeinsam durch das Event-, Produkt- und Kundenmanagement sowie den Vertrieb. Das Event-Management stellt den Rahmen zur Verfügung, das Produkt- und Kundenmanagement die Inhalte und der Vertrieb kümmert sich um die Kundenbindung.

Wie sieht die inhaltliche Arbeit in einem teemUp Workshops aus?

Um den fruchtbaren Austausch zwischen Kunde und Unternehmen zu fördern,  übernehmen wir als Product Owner die Moderation der Workshops – je nach Themengebiet auch zusammen mit einem Spezialisten.

Diese Diskussion hilft uns, nicht am Anwender vorbei zu programmieren, wie das folgende Beispiel zeigt: In einen Workshop mit Praxismanagern ging es um die Themen “Empfang” und “Terminkoordination” innerhalb der Praxis. Wir hatten das Glück, dass eine der etwa 12 Teilnehmer(innen) eine findige Anwenderin unserer Software war. So überließen wir es kurzerhand ihr, dem Rest der Gruppe die aktuellen Funktionen des Empfangs und des Terminbuchs in teemer zu präsentieren. Im Anschluss konnte jeder Teilnehmer sein Feedback sowie weitere Verbesserungsvorschläge abgeben, die wir dann gemeinsam verdichteten und priorisierten.

Das Ergebnis: ein einheitliches Verständnis davon, wie ein digitales Terminbuch aussehen sollte, damit es im Praxisalltag von Nutzen ist. Die Mehrheit wünschte sich einen Terminkalender innerhalb der Praxissoftware, der eine übersichtliche Such- und Filterfunktion beinhaltet. Patiententermine sollten filterbar sein und direkt auf der Kalenderoberfläche prominent hervorgehoben werden. Die Suchmaske sollte stets präsent und nie ausgeblendet sein.

Für uns in der Entwicklung war das eine Überraschung: Wir hätten diesem Feature keine so große Bedeutung beigemessen und mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Outlook-ähnliche Suche konzipiert. Im Produktmanagement hatten wir dank des Workshops nun eine genaue Vorstellung davon, welche Themen es in nächster Zeit in der Entwicklung zu adressieren galt.

Unmittelbar nach dem teemUp werden alle Workshop-Ergebnisse durch die Organisatoren gesammelt und vom Product Owner zusammen mit der Entwicklung zeitlich priorisiert. Im Anschluss erfolgt die Ausformulierung der entsprechenden Stories für die neue Funktion. Die Abstimmung mit den Entwicklungspartnern und Impulsgebern erfolgt immer wieder per E-Mail, persönlich oder am Telefon.

Was nehmen wir für die Produktentwicklung mit?

Rund drei bis fünf Monate später, nachdem die erste Version des Features fertig ist, findet in der Regel ein Review-Termin mit den Workshop-Teilnehmern statt. Die Kritik und Anregungen daraus werden vom Product Owner erneut aufgenommen und in der nächsten Sprintplanung berücksichtigt.

Das Beispiel „Terminbuch“ zeigt, dass wir mit den teemUp Workshops die Akzeptanz und Nutzung neuer Features innerhalb der Software deutlich erhöhen. Die enge Arbeit mit der B2B-Community lässt sich wunderbar mit der agilen Produktentwicklung kombinieren.

Dabei gehen wir in folgenden Schritten vor:

1. Idee

Die Idee formuliert sich erstmalig im Produktmanagement und reift durch das Feedback der Kunden. Sie wird in Form von Mock-Ups grafisch dargestellt. Diese dienen dazu, dem Nutzer einen ersten visuellen Eindruck der Funktion zu vermitteln.

2. Prototyp

Wenn die Idee steht, erfolgt die Entwicklung eines ersten Prototyps, der es ermöglicht, die Funktionen für einige Testkunden auszuprobieren.

3. Minimum Viable Product

Im dritten Schritt nähern wir uns durch den Lean-Startup-Ansatz pragmatisch der marktfähigen Variante eines Produktes oder eines größeren Features. Das erfolgt in einem stetigen Zyklus aus Verstehen der Kundenanforderung, Anpassen der Lösung und Analysieren der nächsten Schritte.

4. Erste Version

In der ersten Version kann der Kunde das umgesetzte Produkt oder Feature nutzen. Im Live-Betrieb ergeben sich sukzessive neue Anforderungen für den detaillierteren Ausbau der Funktion.

Was ist bei Vorteile der Workshops?

Um die Workshops erfolgreich zu gestalten, solltet ihr genügend Zeit in die Vorbereitung stecken. Besonders die Aufbereitung der konkreten Themen und der Ablauf sollten stimmig sein. Auch wenn die Workshops viel Zeit in Vor- und Nachbereitung in Anspruch nehmen, ist der Output für uns in diesem Format am höchsten.

Die Vorteile der regelmäßigen Workshops liegen auf der Hand:

  • Der intensive und konkrete Austausch mit den Nutzern ermöglicht ein direktes Verständnis der Problemstellung für den Product Owner.
  • Konkrete Fragen in der Praxis können sofort adressiert werden.
  • Der Nutzer ist in die Lösungsfindung involviert und hat Spaß, sich aktiv einzubringen.
  • Die Akzeptanz der Nutzer für das zukünftige Produkt oder Feature ist deutlich höher.

Fazit

Ihr fragt euch sicherlich, ob das Verhältnis von Aufwand und Nutzen für das Format gerechtfertigt ist?

Für uns kann ich das klar mit „ja“ beantworten, da die teemUp Workshops ein essenzieller Bestandteil unser Produktentwicklung geworden sind. Wir verstehen unser Produkt teemer als digitalen Teamplayer und sehen die Praxen und uns als eine große Gemeinschaft mit einer konkreten Mission: Die Arbeitswelt im niedergelassenen Bereich einfacher und moderner zu gestalten. Die Software fungiert als Unterstützer und nicht Behinderer des Alltages.

Der Aufwand des Kontakthaltens und steten Austausches kann ab und zu auch müßig sein. Die Ergebnisqualität und der Output sind in unserer Erfahrung nach die Mühe wert. Nur durch diese intensiven Diskussionen und die Interdisziplinarität des Teams kommt man zu den besten Ergebnissen.

Über Christina Neugebauer

Christina liebt es, digitale Produkte zu entwickeln, die Kunden begeistern. Aktuell leitet sie das Produktmanagement bei der ARZ.dent GmbH und verantwortet dort die Weiterentwicklung des Produktportfolios für digitale Kundenlösungen in der Dentalbranche. Eine ihrer täglichen Herausforderungen: Aus komplexen Anforderungen das dringendste Bedürfnis herauszufiltern und mit einem interdisziplinären Team schnell eine smarte Lösung dafür zu entwickeln. Design Thinking und agile Methoden gehören zu Ihrem Werkzeugkoffer. Zuvor war sie im Produktmanagement in der Otto Gruppe für die Health AG und die Hermes Logistik Gruppe tätig.

3 Kommentare

  1. Thorsten Wilhelm

    Vielen Dank für das beschriebene Mindset in Sachen “nutzerzentrierte Gestaltung”. Gern mehr von solchen Beispielen hier im Blog :).

    Kannst Du vielleicht noch etwas dazu sagen, wie ihr das genau hinbekommt, dass eure Nutzer*innen / Kunden – die ja sicherlich beruflich sehr eingespannt sind – es schaffen sich Zeit für die Teilnahme an den Workshops und Umfragen freizumachen.

    Ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, dass es sehr schwer ist im BtoB Umfeld “User Research” umzusetzen, vor allem weil die Zeit fehlt das während der Arbeitszeit unterzubekommen.

    Werden eure Workshopteilnehmer*innen beispielsweise von der Arbeit “freigestellt”? Bekommen Sie von euch Geld? … .

    Würde mich freuen, wenn Du uns dazu noch etwas Einblicke und Erfahrungen mitgeben könntest.


  2. Christina Neugebauer Artikelautor

    Danke für deine Nachfrage.
    Das von dir angesprochene Themen ist in der Tat im B2B Umfeld nicht immer ganz einfach.

    Wir haben das bisher so gestaltet, dass unsere Veranstaltungen bei 2 Tages Workshops von Freitagmittag bis Samstagnachmittag gehen – alternativ bei einem 1 Tagesworkshop am Samstag stattfinden. Dementsprechend ist es für Nutzer*innen / Kunden einfacher das neben der Arbeit zu ermöglichen. Zudem achten wir auf zentrale Locations, die gut zu erreichen sind. Bei dem 2 Tagesworkshop gibt es neben einer guten Versorgung tagsüber eine schöne Abendveranstaltung am Freitag.

    Generell basiert das Engagement in der Produktentwicklung bei uns auf Freiwilligkeit. In der Vergangenheit gab es Ausnahmefälle der Vergütung, wenn ein Teilnehmer z.B. einen Workshop mit vorbereitet und durchgeführt hat in Form eines Referentenhonorars.

    Wie macht ihr das?
    Falls ihr weitere Erfahrungsberichte hier teilen könnt, freu ich mich auf eure Beiträge.


  3. Sandra Geier

    Vielen Dank für diesen Beitrag zur kundenzentrierten Produktentwicklung. Es ist wirklich ein interessanter Ansatz zur Definition der Bedürfnisse der Kunden einen Workshop abzuhalten, um dort mehr Auskünfte zu bekommen. Ich bin auch im Engineering tätig, vielleicht probieren wir diese Methode auch mal bei uns aus.


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